Zum Inhalt springen

Der Schweriner See

REISEREPORT DER SCHWERINER SEE

Als Teil der Mecklenburgischen Seenplatte bildet der Schweriner See zusammen mit kleineren Seen eine idyllische Naturlandschaft, die nicht nur für den Wassersportler als einzigartiges Refugium gilt. Wir begannen unsere Erkundungstour am Fuße des wirklich zauberhaft schönen Schweriner Schlosses…

Deutschlands viertgrößter See, der Schweriner See, entstand als Gletscherzungensee mit dem Ausklang der Weichselkaltzeit vor über 25.000 Jahren. Nacheiszeitlich erste Besiedler waren Jäger und Sammler, denen Jahrtausende später germanische Stämme und Slawen folgten. Kriege zwischen Stammesverbänden, Gebietsansprüche und die Ermordung unliebsamer Stammesfürsten erschütterten schon früh die mächtigsten slawischen Fürstenhäuser Mecklenburgs, dessen Name auf eine Burg südlich von Wismar gründet. So war die im Jahr 995 erstmals in einer Urkunde des römisch-deutschen Königs und späteren Kaisers Ottos III. erwähnte Burg Mecklenburg im 10. Jahrhundert Sitz des Fürstengeschlechts der Nakoniden. Doch es musste noch viel Zeit vergehen, bis weite Teile Mecklenburgs, der Mecklenburgischen Seenplatte und einzelne Feuchtgebiete ackerbaulich nutzbar und bewohnbar gemacht wurden. Erst mit der Ansiedlung tausender deutscher Siedler aus Westfalen, Niedersachen und Holstein durch slawische Fürsten bekam Mecklenburg ab Mitte des 12. Jahrhunderts erste richtige Siedlungsstrukturen und das technische Knowhow moderner Landwirtschaftstechnik. In der Zeit dieser Kolonisation ersetzten eiserne Pflüge die hölzernen und es wurde die Dreifelderwirtschaft eingeführt. Mit den neuen Siedlungsräumen, die die slawischen Bevölkerungsteile mit einschlossen, entstanden Ballungsgebiete, die Handwerker und Kaufleute anzogen. Mehrere Besatzungskriege weiter, nach der Reformation, dem Dreißigjährigen Krieg, den Nordischen Kriegen, preußischen Annexionsplänen und der Renaissance, wurde Friedrich Franz II.nach dem plötzlichen Tod seines Vaters Paul Friedrich 1842 noch als Student Großherzog der Linie Mecklenburg-Schwerin. Für sein neues Residenzschloss wählte der junge Herrscher die Schlossinsel, an deren Stelle schon früher slawische Fürstengeschlechter residierten. Der Großherzog mochte es pompös und beauftragte Hofbaumeister Georg Adolf Demmler mit dem Bau eines prächtigen Schlosses, das weithin von Macht und Einfluß mecklenburgischer Herzöge künden sollte. Schließlich entstand in den Jahren 1845 bis 1857 ein Neorenaissance-Bau, an dem damals neben Demmler so bedeutende Architekten wie Gottfried Semper, Friedrich August Stüler und Ernst Friedrich Zwirner mitwirkten. Das pittoreske Schloss, auch „Neuschwanstein des Nordens“, „Cinderella-Schloss“ oder „Märchenschloss“ genannt, überdauerte bewegte Zeiten, erlebte Brände und verschiedene Nutzungen. Es war Kindergarten, Lazarett, Pädagogische Schule für Kindergärtnerinnen, Museum. Auch zeitgenössische Landesfürsten entdeckten schnell den Charme des Gemäuers und so hat nach ersten Sanierungen der Landtag Mecklenburg-Vorpommerns seit Herbst 1990 seinen Sitz im Schloss – und Schwerin wurde Landeshauptstadt. Heute ziehen Schloss, Orangerie, die verträumt-malerische Schlossinsel, der große Schlossgarten und das gesamte einstige Residenz-Ensemble mit Staatskanzlei, Staatstheater und Staatlichem Museum jährlich Tausende Besucher an.

Nach diesem Exkurs in die Früh- und Zeitgeschichte Mecklenburgs starten wir unsere Erkundungstour über den Schweriner See am Steg von „Bootscharter Schwerin“, der sich unmittelbar am Schweriner Schloss und direkt neben der Anlegestelle der „Weißen Flotte“ befindet. Mit Bootsvercharterer und Bootshändler Tony Pilipenko habe ich einen Guide an meiner Seite, der mir auf Anhieb die schönsten Ecken in der Schweriner Seenlandschaft zeigen kann. Das Wetter meint es gut mit uns, das Thermometer ist auf über 30 Grad geklettert, die Sonne brennt. So ist der beste Platz der auf dem Wasser, und wir befahren mit einer von 60 Mercury-PS angetriebenen Atlantic Marine Open 625 den sogenannten Schweriner Innensee. Im Uhrzeigersinn bewegend, passieren wir vor der traumhaften Schweriner Kulisse und vorbei an der Marstall-Halbinsel backbords das Seglerheim des Schweriner Segler-Verein von 1894 e.V.. Dieser Traditionsclub schrieb in verschiedenen Epochen Segelgeschichte und war Motor für eine Riege heimischer Holzbootsbauer. So wurde auf der Schweriner Bootswerft Hauk & Möller die 1921 von Reinhard Derwitz entworfene „Schweriner Einheitsjolle“ gebaut. Auf der jährlich stattfindenden traditionellen Holzbootregatta kann man mit Glück noch diesen Bootsoldtimer auf dem Schweriner See bewundern, der inzwischen zum begehrten Liebhaberstück avancierte. Interessierten Skippern sei hier das Buch „Schweriner Segler-Verein von 1894“ von Erich Bülck empfohlen. Am Seglerheim gibt es heute Gastliegeplätze, Unterkünfte und ein Restaurant. Gleich linkerhand daneben befindet sich die Einfahrt zum Schweriner Stadthafen, der sich ebenfalls für Gastlieger anbietet. Von hier hat man nicht nur einen kurzen Weg zu den Sehenswürdigkeiten der Schweriner Altstadt, sondern kann wenige Meter neben der Steganlage des SV Mecklenburgisches Staatstheater e.V., in der „Gourmet Fabrik“ von NDR-Topfgucker-Fernsehkoch Daniel Bockholt (37) richtig gut essen. Vereins-Hafenmeister Peter Gramatzki (69) erzählt: „Wir können hier Gastliegeplätze für Boote bis 15 m Länge und 4,50 m Breite anbieten. Derzeit stocken wir die Steganlage weiter auf, der Bedarf wächst. Besonders die Zentrumsnähe ist für Skipper interessant.“ Vorbei an der Schwanenhalbinsel mit Sitz der Wasserschutzpolizeiinspektion Schwerin, fahren wir an der Werdervorstadt Richtung Norden entlang und biegen dann backbords in den Stangengraben ein, der den Schweriner Innensee mit dem Heidensee verbindet. Die kleine Verbindung gibt einen ersten Vorgeschmack auf die weitere romantisch-idyllische Seenlandschaft. Wir passieren backbords die Schweriner Seen Fischerei GmbH, den Drachenbootverein und steuerbords mit der Bootshausanlage Werderwiesen die größte zusammenhängende Bootshausanlage Europas. Um 1972 begannen Skipper aus Schweriner Betrieben in Eigenregie mit dem Bau der riesigen Anlage. Heute verfügt der Bootshausverein Werderwiesen Schwerin e.V. über 856 Bootshäuser, in denen noch viele Pioniere der Gründungs- und Bauzeit ihre Liegeplätze haben. Die gepflegte und malerische Anlage beeindruckt …

Am nördlichen Ende des Heidensees befindet sich mit der Marina Nord die größte Marina innerhalb der Schweriner Seenlandschaft. Aus über 10.000 m² Fläche eines einstigen DDR-Bezirks-Ausbildungszentrums der „Gesellschaft für Sport und Technik“ hat der ehemalige Seemann Reinhard Brandt (62) eine Top-Marina mit dem „Aparthotel am Heidensee“ und einem Wohnmobilstellplatz gemacht. Es fällt leicht, dem Charme der Marina zu erliegen. Von der Terrasse des Hotels bietet sich ein traumhafter Blick auf Boote und Wasser, für Gäste gibt es einen Boots- und Fahrradverleih. „Bei 160 Bootsliegeplätzen stehen auch Gastliegeplätze zur Verfügung und Gäste sind jederzeit herzlich willkommen“, so Reinhard Brandt. Wir fahren an der Marina vorbei in den Werderkanal, der uns auf den Ziegelsee bringt. Der wiederum teilt sich in Ziegelinnen- und Ziegelaußensee auf. Zunächst erkunden wir den zum städtischen Pfaffenteich hin liegenden Ziegelinnensee, der aber keine Verbindung zum Pfaffenteich hat. Am nordöstlichen Ufer bestimmen moderne Wohntürme und ein denkmalgeschützter Getreidespeicher das Bild. Im Speicher befindet sich heute das Hotel „Speicher am Ziegelsee“, das – wiederum nur 15 Gehminuten von der Altstadt entfernt – als Geheimtipp gilt. Zurück auf dem Ziegelaußensee, geht es vorbei an zahlreichen Kolonien von hübschen Bootshäusern, kleinen Inseln, Halbinseln und Buchten über glasklares Wasser in Richtung Norden. Den nördlichsten Zipfel des Ziegelaußensees markiert das Anwesen des Best Western Seehotels Frankenhorst, dessen 122.000 m² großes Grundstück dem Dichter Hans Franck (1879-1964) gehörte und danach bis zur Wende als Gästehaus der damaligen Partei-Bezirksleitung Schwerin genutzt wurde. Wer heute per Boot das Anwesen mit dem Restaurant „Bootshaus“ besuchen will, der wird leider durch die nicht zu übersehende Aufschrift „Privatanleger“ an der Marina unterhalb des Hotels abgeschreckt. Von Frankenhorst fahren wir vorbei an verträumten Buchten, in denen sich bei jedem Wind und Wetter ideale Ankerplätze finden lassen. Einheimische Skipper nennen diesen Zipfel des Sees „Karibik“. Über den knapp zwei Kilometer „Langen Graben“, der neben dem Paulsdamm mit der Bundesstraße B104 verläuft, gelangen wir in den Schweriner Außensee. Bei niedrigen Wasserständen ist der Lange Graben für tiefergehende Boote entweder mit Vorsicht oder überhaupt nicht zu befahren. Sein trübes Wasser ist Beleg für aufgewirbelte Sedimente und Schlick. Vor uns liegt dann ein herrlich klarer und weiter See mit der Halbinsel Ramper Moor und den Inseln Lieps und Horst, der bei der Ortschaft Hohen Viecheln sein Ende findet. Wir passieren den östlich liegenden Ferienpark Seehof, den größten Campingplatz mit wunderbarem Strand in der Schweriner Seenlandschaft. Voraus liegt das Schloss Wiligrad, das ohne Bootsanleger vom Wasser aus leider nicht zu erreichen ist. Ich werde es später mit dem Auto besuchen. Etwas abseits vom Geschehen am Schweriner See befindet sich in Hohen Viecheln der Fischereihof der Familie Prignitz, der heute von Vater Tobias (56) und Sohn Christopher (28) betrieben wird. Sie sind die Nachfahren eines Mannes namens Cord Prignitz, der dem Herzog Karl Leopold 1713 in einer misslichen Lage Unterschlupf gewährte. Als Dank erhielt die Familie ein lebenslanges Erbpachtrecht für das Nordufer des Sees, dessen Urkunde bis heute und solange ein Prignitz die Fischerei betreibt Gültigkeit hat. „Wir führen das Unternehmen jetzt in der zehnten und elften Generation und bewirtschaften 500 Hektar Fläche“, erklärt mir Tobias Prignitz, der mit seiner Familie auch einen Fischverkauf führt und Ferienwohnungen vermietet. Der idyllische Fischereihof sei auch Anglern empfohlen, die hier problemlos eigene Boote slippen und mit Genehmigung der überaus freundlichen und aufgeschlossenen Fischerfamilie dem Esox lucius, dem Hecht, nachstellen können.

Wir verlassen den Schweriner Außensee über einen Kanal, der den Paulsdamm unterquert. Direkt neben der Straßenbrücke der B104 befindet sich die beliebte Ausflugsgaststätte „Seewarte“, die mit einem stilvollem Restaurant, exklusivem Catering und direkt am Wasser liegenden Außenanlagen ein idealer Ort für Traumhochzeiten und Events aller Art ist. Bei schönem Wetter lässt es sich hier herrlich entspannen und es gibt ein Grill- und Imbiss-Angebot. In der anliegenden Marina finden Skipper Gastliegeplätze, so dass in der Saison an der Seewarte viel Betrieb herrscht. Jetzt nehmen wir Kurs auf das südliche Ende des Schweriner Innensees, wo sich der schiffbare Abfluss des Sees in den Störkanal befindet. Wer von der Müritz oder der Elbe kommend zum Schweriner See will, der muss hier entlang. Wir machen einen Abstecher zur Halbinsel Reppin, über der sich die Reppiner Burg erhebt. Etwa um 1907 als unvollständige Burganlage oder Burg-Attrappe errichtet, befand sich an dieser Stelle einst ein Denkmal für Friedrich Wilhelm zu Mecklenburg, einem Sohn von Großherzog Friedrich Franz II., welcher durch die Kenterung eines von ihm befehligten Torpedobootes 1897 in der Nordsee zu Tode kam. Heute ist die Burg gegenüber den Inseln Kaninchenwerder und Ziegelwerder ein beliebtes Ausflugsziel der Schweriner. Während auf der Insel Ziegelwerder im Schweriner See heute noch eine Landwirtsfamilie leben soll, erwacht die einst als Schifffahrts-Ausflugsziel beliebte Insel Kaninchenwerder derweil aus einem Dornröschenschlaf. Noch ist der kleine Hafen der Insel mit Steganlage etwas verlandet, doch es tut sich gerade etwas. Seit Juni ist die Inselgaststätte wieder täglich von 11 bis 16 Uhr geöffnet und damit erlebt ein traditionelles Schweriner Ausflugsziel eine verdiente Renaissance. Wir lassen die Mueßer Bucht backbords liegen und nehmen Kurs auf den breiten Zippendorfer Strand, der Badestelle der Schweriner. Weit über den prächtigen Villen am Strand, grüßen der heute dauerhaft geschlossene Schweriner Fernsehturm und eine Funksendeantenne. Die Uferlinie des Franzosenweges mit herrschaftlichen Villen vorsichtig abfahrend und auf Untiefen achtend, passieren wir den Schweriner Yacht-Club mit seinen Steganlagen, die steuerbords liegende Untiefe Rakow und steuern die Schlossbucht mit der Steganlage des Segelclubs Schlossbucht und das dahinter in Nähe der Kleinen Schlossgartenbrücke liegende Restaurant „Ruderhaus“ an. Hier sei vermerkt, dass man die auf dem Schweriner Innensee verankerten Kardinalzeichen beachten sollte, denn der See bietet etliche tückische Untiefen. Größte davon ist die Untiefe „Großer Stein“, die bei Niedrigwasser teilweise trockenfallen kann. Ebenfalls an dieser Stelle sei das östliche Seeufer des etwa 21 Kilometer langen und bis zu fünf Kilometer breiten Schweriner Sees erwähnt, wo Camper in Raben Steinfeld, Retgendorf und Flessenow Campingplätze finden und sich zwischen Rampe und Retgendorf auch das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt ist.

In einem riesigen Park nördlich von Lübstorf und am westlichen Steilufer des Schweriner Außensees versteckt sich Schloss Wiligrad. Das zu den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommerns gehörende Schloss ist eine Perle unter den mecklenburgischen Schlössern. Um 1900 von Herzog Johann Albrecht als Refugium im Neorenaissance-Stil errichtet, bildet das Schloss das Zentrum einer kleinen Siedlung, in der heute ein illustres Völkchen von Pädagogen und Künstlern sesshaft ist. Der bezaubernde Ort verbindet interessante Architektur mit großzügiger Landschaftsgestaltung und muss als unbedingter Geheimtipp empfohlen werden. Nach Enteignung der Fürstenfamilie nach dem Krieg wurde Wiligrad Parteischule, später Polizeischule und zum Sperrgebiet erklärt. Nach der Wende wurde das Gelände nach Originalplänen rekonstruiert, und heute beheimatet das Schloss den Kunstverein Wiligrad. Dieser überregionalen Plattform zeitgenössischer Gegenwartskunst mit vielbeachteten Ausstellungen von Fotografie, Malerei, Grafik und Bildhauerei verleiht das Schloss den passenden Rahmen. Wer den Schweriner See besucht, der sollte Schloss Wiligrad gesehen haben! Aber auch die im Krieg unzerstört gebliebene Landeshauptstadt Schwerin bietet mit ihrer charmanten Altstadt, zahlreichen Museen und dem Staatstheater viele Sehenswürdigkeiten, die immer wieder einen Besuch lohnen. Zum Abschluss unserer Tour bedanke ich mich bei Catharina Groth von der Stadtmarketinggesellschaft Schwerin mbH und natürlich auch bei Tony Pilipenko für die tolle Unterstützung während der Recherche!

Die Mecklenburgische Großseenplatte

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner