PRAXIS BOOTSPFLEGE
Wellness fürs Boot
Winterzeit ist Pflegezeit und für die meisten Bootsbesitzer eine willkommene Gelegenheit, ihrem Boot ein Bootspflege-Wellness-Programm zu verordnen. Wir haben mit einem Experten über die geeigneten Anwendungen gesprochen.
Zum Ende einer jeden Saison kommen die meisten Boote aus dem Wasser und ins Winterlager. Bereits bei der Kranung erfolgt mit dem Hochdruckreiniger eine erste Pflegemaßnahme, denn das Boot wird grob gesäubert und der Unterwasseranstrich von Algen, Pocken und losen Partikeln befreit. Je nach Zustand des Antifouling-Anstrichs kann das in einzelnen Fällen ausreichend sein und das Boot eingelagert werden. Ist unser Boot an seinem Winterlagerplatz angekommen, beginnt die Winterfestmachung. Die Maschine wird konserviert, Wasser abgelassen und Leitungen mit Frostschutzmittel gespült. Danach ist Zeit, um sich ausgiebig um den Rumpf und das Deck zu kümmern. Bereits an dieser Stelle müssen wir erwähnen, dass es eine Fülle von Produkten und Herstellern für verschiedenste Anwendungen im Bereich der Bootspflege gibt. Auch wird jeder professionelle Bootsreiniger mit seinen eigenen oder mit den von ihm bevorzugten Produkten arbeiten. Deshalb stellen die von unserem Experten Sven Heide von der Braunschweiger Firma Bootsservice-Heide verwendeten und hier genannten Produkte keinerlei Wertung und Empfehlung dar und sind als Beispiele für die verschiedenen Anwendungs- und Pflegeschritte zu betrachten. Grundsätzlich sollte allerdings auf die Verwendung biologisch abbaubarer und umweltverträglicher Produkte geachtet werden.
Nun ist es Zeit, um sich zuerst um eine gründliche Reinigung des Rumpfes und des Unterwasserschiffes zu kümmern. Hartnäckigen Algenbewuchs und Kalkablagerungen wie an Z-Antrieben oder am Unterwasserschiff beseitigen wir in der Regel durch spezielle Kalkentferner und universelle Yachtreiniger. Hier seien stellvertretend der OGM-Muschel- und -Kalkreiniger sowie der OGM-Yachtreiniger-Extrem genannt. Nachdem das Unterwasserschiff gesäubert ist, stellt sich manchmal die Frage nach einem neuen Anstrich. Wann der Rumpf jedoch mit Antifouling gestrichen werden muss, richtet sich in der Regel nach den Herstellerangaben des jeweils verwendeten Produktes und eben nach dem Allgemeinzustand des vorhandenen Anstrichs. Wenn das Antifouling gewechselt werden soll, muss eine Sperrschicht beziehungsweise Grundierung aufgetragen werden, danach kann mit einem anderen Antifouling ein Neuaufbau stattfinden. Möchte man aber das alte Antifouling beseitigen, empfiehlt es sich, einen Antifouling-Entferner wie Interstrip-AF von International zu verwenden. Auch ein Abschleifen ist möglich. Je nachdem, für welche Variante man sich entschieden hat, muss danach ein Neuaufbau mit Grundierung und Antifouling durchgeführt werden. Aber in der Praxis muss ein Neuaufbau und das Abschleifen des Antifoulings gar nicht so häufig durchgeführt werden.
Nachdem das Unterwasserteil unseres Bootes wieder erstrahlt, können wir uns den oberhalb der Wasserlinie liegenden Flächen des Bootskörpers widmen. Hier beginnt das besagte Bootspflege-Wellness-Programm, bei dem wir unserem Experten Sven Heide (32) über die Schulter geschaut haben. Seit 2016 kümmert sich der engagierte junge Mann in professioneller Art und Weise um den Bereich Bootspflege und hat seine Basis in der idyllischen Marina im Yachthafen Heidanger in Wedtlenstedt am Stichkanal Salzgitter, einem Zustrom zum Mittellandkanal. „Je nach Verschmutzungsgrad entfernen wir zuerst die gelbe Welle, also den unschönen gelben Rand über der Wasserlinie. Dafür verwende ich den GFK-Grundreiniger von OGM oder den R-100-Gelbe-Flecken-Entferner von Renskib. Sollte es Auskreidungen an der Oberfläche geben – die sieht man, wenn man beim Überstreichen weiße Finger bekommt – wird ebenfalls mit einem Gelcoat-Reiniger nach Gebrauchsanweisung gearbeitet. Danach kann das Boot poliert werden“, so Sven Heide.
Interessant wird es jedoch dann, wenn unser Boot matt und glanzlos erscheint und mehr als eine Gesichtsmaske nötig hätte. Kann man Booten und Yachten, die etwas in die Jahre gekommen sind, mit guter Bootspflege wieder jugendliche Frische verleihen?
„Das ist möglich, bedeutet aber ordentlich Polier-Arbeit und setzt ein vernünftiges Equipment voraus“, verrät Experte Sven. Das Prinzip des Auffrischens ist dabei stets gleich und lässt sich anhand des Renskib-Systems gut nachvollziehen. Zunächst wird das Freizeitschiff mit einem Gelcoat-Reiniger behandelt. Auf die matt gewordene Oberfläche verteilt Sven mittels Schwamm eine grobe Polierpaste, die etwa einer 6.000er Schleifpapier-Körnung entspricht. (R-120 Rubbing Compound) Dabei feuchtet er die Flächen vorher parallel mit einer Wasser-Sprühflasche an. Diese Schicht wird danach sogleich mittels Lammfell oder weichem Lappen poliert. Dann folgt das Polieren mit noch feinerer Polierpaste mit 8.000er-Körnung für Gelcoat (R-130A Flüssig Pre Sealer). Jetzt erstrahlt die nunmehr glatte Oberfläche in neuem Glanz. Schließlich wird die Fläche mit einem Shampoo ( R-140 Shampoo) abgewaschen und kann nun neu versiegelt werden. „Eine Versiegelung macht nur Sinn, wenn die Flächen vorher akribisch poliert, geglättet und gereinigt sind. Später kann dann immer mal wieder mit Shampoo aus einer Sprühflasche aufgetragen und mit einem feuchten Mikrofasertuch abgewischt werden“, erklärt Sven.
Diese einfache Prozedur, die im Wesentlichen aus den fünf Arbeitsschritten Reinigen, Grob-Polieren, Fein-Polieren, mit Shampoo waschen und Versiegeln besteht, bringt Sven auch auf fein-geriffelten GFK-Untergründen wie auf Tritten zur Anwendung. Ein Lammfell holt die Polierpaste problemlos aus den kleinen Fugen heraus. Und wie können wir kleine Gelcoat-Beschädigungen beseitigen? „Das richtet sich auch nach der Tiefe der Risse oder Kratzer. Tiefe Kratzer wie von Karambolagen müssen in der Regel abgeschliffen und mit einer neuen Gelcoat-Schicht versehen werden. Dennoch können wir die meisten Kratzer effektiv selbst beseitigen“, verrät Sven Heide. Auch hier ist das Prinzip ähnlich: „Es wird mit feinem 3.000er-Schleifpapier nass angeschliffen. Danach polieren wir zuerst mit 6.000er und danach mit 8.000er Schleifpolitur. Schließlich wird mit Lammfell-Pads poliert und versiegelt, sagt der Braunschweiger Pflege-Profi. Und welche Mittelchen befinden sich noch in seiner Putzkiste? Gummi-Scheuerleisten und Fender säubert und frischt der Experte mit OGM-Fender-Reiniger-Extrem auf. Schimmel, egal wo, wird mit OGM-Schimmel-Ex bekämpft. Persenning-Scheiben werden mit Plastik-Reiniger-Spray behandelt und bei Teakholz kommt ein milder Teakreiniger (R-125 Teak Cleaner) zum Einsatz. Welche besonderen Tipps zur Bootspflege kann uns der Experte mit auf den Weg geben? Da muss Sven nicht lange überlegen: „Bei Antifouling-Anstrichen ist darauf zu achten, dass grundsätzlich stets dieselbe Marke verwendet wird und der Bewuchs-Schutz auch für das jeweilige Rumpfmaterial wie Alu oder Stahl geeignet ist. Schlimmstenfalls wirkt der Anstrich wie eine Opferanode und frisst quasi den Bootskörper auf. Stahlschiffe werden in Bezug auf die Polierung wie GFK-Boote behandelt. Schlauchboote bekommt man mit dem OGM-Fender-Reiniger sauber, der auch sofort versiegelt.“
Welche Reinigungsmittel sollten an Bord sein? Sven empfiehlt zur Bootspflege folgende Grundprodukte für die Bord-Putz-Apotheke: erstens einen GFK-Grundreiniger, zweitens ein Shampoo für Gelcoat und um die Versiegelung aufrecht zu erhalten (R-140), drittens eine Power-Politur (R-150) für unschöne Flecken, blinde und matte Stellen und viertens ein Diesel-Schutzmittel gegen die gefürchtete Diesel-Pest. Wem hingegen die Bootspflege zu aufwendig und anstrengend erscheint, der kann externe Dienstleister wie Bootsservice-Heide beauftragen. Viele Pflege-Experten arbeiten ambulant und kommen quasi ins Haus. Mit der richtigen Technik und den passenden Produkten werden allerdings auch Do-it-yourself–Bootspfleger durchaus Spaß daran haben, ihrem Boot pünktlich vor dem Saisonstart ein mehr oder weniger umfangreiches Bootspflege-Programm zu gönnen.