TEST Cranchi T43 Eco Trawler LD
Italiener für die große Fahrt
Wir testeten die italienische Cranchi Eco Trawler 43 LD, wobei das Kürzel in der Modellbezeichnung für „Long Distance“ steht.
Wenn eine in 1870 gegründete Bootswerft auf eine fast 150-jährige Geschichte zurückblicken kann, dann ist das schon bemerkenswert – und ziemlich einmalig. Als Giovanni Cranchi seine kleine Firma aus der Taufe hob, fiel der Startschuss zum ersten America´s Cup, und hierzulande regierte Otto von Bismarck. Später, in den 1930er-Jahren, funktionierte der Enkel des Firmengründers, der ebenfalls Giovanni Cranchi hieß, eine Fabrik in Brienno zum Bootsbaubetrieb um und setzte das Werk des Großvaters fort. Trotz schwieriger Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bootsproduktion anno 1952 wieder aufgenommen. Viele Yachtentwürfe aus dieser Zeit trugen die Design-Handschrift von Giovannis Sohn Aldo Cranchi und waren für grazile Linien und ausgesuchte Materialien bekannt. Unter der Führung von Aldo Cranchi wurde die Firma schrittweise umstrukturiert und vergrößert. So eröffnete man 1970 eine neue Produktionsstätte in Piantedo und bis heute sind drei weitere Werft-Standorte hinzugekommen. Noch immer in Familienbesitz, führen die Cranchis ihr Traditionsunternehmen nun im 21. Jahrhundert in sechster Generation.
Die Cranchi Eco Trawler 43 LD erwartet uns etwa 90 km östlich von Venedig im neuen werfteigenen „Marine-Test-Center Italo Monzino“ nahe des Städtchens San Giorgio di Nogaro. Das Testzentrum verfügt über eine direkte Anbindung zur „Laguna di Marano“ und dem Golf von Triest. Schon der erste Kontakt mit der in einem überdachten Hafenbecken vertäuten Motoryacht polarisiert. Der italienische 43-Footer erscheint optisch größer und wuchtiger, als er es mit seiner Länge von 13,80 m tatsächlich ist. Sehr markant wirkt das kubistisch anmutende Deckshaus mit seinen senkrechten Linien. Das eigenwillige Äußere verleiht der Cranchi etwas Majestätisches und dürfte vor allem Seemänner ansprechen, die gerne und lange unterwegs sind. Die Motorboote der Cranchi-Trawler-Reihe sind ja ohnehin für die Langstrecke konzipiert und praktisch schwimmende Ferienwohnungen. An Bord gelangen wir bequem über die 145 cm tiefe Heckplattform und einen 56 cm breiten Durchgang, der ins 370 x 200 cm große Achtercockpit führt. Hier kann man es sich auf einer 255 cm breiten Sitzbank gemütlich machen. Zwischen Sitzbank und Tür zum Deckshaus befinden sich zwei Luken zum Maschinenraum, wo zwei Volvo-Penta-IPS450-Triebwerke mit zusammen 660 Pferdestärken ihren Dienst verrichteten. Die gesamte Technik zeigt sich bestens zugänglich und akkurat installiert. Über ein geschütztes und bis zu 38 cm breites Gangbord erreicht man zügig und sicher den Vorschiffbereich. Auch hier spricht das Deckslayout eine klare Sprache. Es gibt zwei jeweils 200 x 140 große integrierte Sonnenliegen, eine 152 cm breite Sitzbank unmittelbar vor der elektrischen Ankerwinsch und eine Decksdusche. Bevor es in den Salon geht, schauen wir uns zunächst auf der erfreulich weitläufigen Flybridge um, die über eine sechsstufige Treppe erklommen wird. Der Steuerstand ist gemäß der Hightech-Motorisierung mit allen erdenklichen Gimmicks ausgestattet und verfügt daher auch über den genialen Volvo-Joystick für präzise An- und Ablegemanöver. Hier oben gibt es eine 200 x 165 cm große Doppelliege, und hinter der 120 cm breiten Ruderbank befindet sich der Küchen- oder Partyblock, ausgerüstet mit Gasgrill, Kühlschrank und Spülbecken. Bei einer maximalen Höhe von 5,37 m über der Wasserlinie genießt der Bordgast das Gefühl, ganz weit oben zu sitzen. Das nennt man Dolce Vita vom Feinsten …
Im überdachten Achtercockpit und im Salon der Cranchi T43 Eco Trawler LD beträgt die Stehhöhe einheitlich 195 cm – das Wohnambiente präsentiert sich angenehm aufgeräumt. Es dominieren klare Linien und fast schon ein gewisses Understatement, denn die Annehmlichkeiten eines komfortablen Luxusbootes verdeutlichen sich manchmal erst beim zweiten Hinsehen. Neben einer Klimaanlage, den elektrischen Jalousien und der U-Sitzgruppe mit Dinette sei die 200 cm lange und mit allen gängigen Küchengeräten ausgestattete Kombüse erwähnt. Unweit des steuerbords liegenden Kommandostands befindet sich mittschiffs ein Entertainment-Center, aus dem sich ein Flachbild-TV-Gerät ausklappen lässt. Für den Skipper sind die Bedienelemente gut erreichbar und die Displays liegen optimal im Sichtfeld. Die Sitzposition ist hervorragend, zudem lässt sich auf der Fahrerseite ein 80 cm breites Schiebefenster nach unten öffnen. Zu den Kabinen und Bädern unter Deck führt backbords ein sechsstufiger und 64 cm breiter Niedergang. Die Masterkabine im Vorschiff verfügt über ein 200 x 155 cm großes Doppelbett und ein separates Bad mit 200 cm Stehhöhe. Ebenso geräumig und hoch ist auch das Badezimmer für die bis zu drei weiteren Crewmitglieder in zwei Einzelkabinen. Dabei ist das Kabinenlayout veränderbar und kann individuell angepasst werden. Auf der Testyacht war in der Einzelkabine auch eine Waschmaschine untergebracht. Zu erwähnen sind die solide verarbeiteten und in verschiedenen Furnier-Variationen erhältlichen Möbel und Einbauschränke in allen Wohnbereichen.
Wie bewegt sich der fast 14 Tonnen verdrängende „Halbgleiter“ auf dem Wasser? Um es vorab zu sagen: Wir sind von den Fahreigenschaften des Trawlers beeindruckt und zugleich begeistert! Der Geradeauslauf und die Manövriereigenschaften sind schlichtweg Spitzenklasse. Selbst ohne IPS-Steuerung lässt sich die Cranchi mittels beider Motoren gutmütig und punktgenau auf dem vielzitierten Teller drehen. Doch mit Hilfe des „digitalen Ankers“, einem Zusammenspiel von IPS und GPS, bleibt das Schiff per Knopfdruck exakt auf seiner Position stehen und der Skipper könnte sich beispielsweise im Hafen in aller Ruhe nach einem geeigneten Liegeplatz umsehen. Die Box oder der Liegeplatz kann dann mit dem IPS-Joystick-System spielend leicht angesteuert werden. Das macht nicht nur Spaß, sondern so lässt sich der laut der CE-Norm B als „seetauglich“ eingruppierte GFK-Kreuzer in einem nur 15 Meter breiten Hafenbecken auf der Stelle drehen und wie von Zauberhand sauber zur Pier versetzen. Doch nicht nur beim Rangieren in der Marina kann das Volvo-IPS-System seine Vorteile ausspielen. Die nach vorn gerichteten und damit ziehenden Doppelpropeller arbeiten stets in unverwirbeltem Wasser. Der Propellerschub wirkt parallel zum Rumpf, die gesamte Leistung treibt das Boot an. Da sich die Props unter dem Rumpf befinden, wird Kavitation durch eindringende Luft in scharfen Kurven und bei voller Beschleunigung vermieden. Bei einem eher gemütlichen Fahrtenschiff wie der Eco Trawler 43 muss man über scharfe Kurven nicht nachdenken. Da aber eine Beschleunigung bis zum Eintreten in die Gleitphase möglich ist, schauen wir uns die Fahrwerte genauer an. Im Standgas und einer Drehzahl von 600 min-1 bringen die sechszylindrigen Turbodiesel das Boot mit 3,1 Knoten voran. Dabei vermerken wir am Innensteuerstand dezente 53 dB(A) und einen enorm niedrigen Verbrauch von 2,1 l/h. Die Revierfahrt von 6,5 Knoten ist bei 1300 min-1 erreicht. Dabei konsumieren die Maschinen 12,5 l/h. Zügig geht es bis zur ökonomischen Marschfahrt bei 1.800 min-1 und dabei erreichten 8,8 nautischen Meilen pro Stunde vorwärts. Jetzt genehmigen sich beide Maschinen zusammen 22,5 l/h. Rechnerisch käme das Schiff mit seinem Tankvolumen von 1.450 Litern bei dieser Reisegeschwindigkeit 1.025 km beziehungsweise 553 Seemeilen weit. Das ist ein beachtlicher Wert, der dem bereits thematisierten Namenszusatz „Long Distance“ mehr als gerecht wird. Bei einem Schallpegel von moderaten 61 dB(A) fällt die Marschfahrt zudem immer noch geräuscharm aus. Die nun folgenden höheren Drehzahlen zwischen 2.000 und 2.800 min-1 bringen das Boot auf bis zu zwölf Knoten, und dies bei einer Geräuschkulisse von 72 dB(A). Der mit den höheren Drehzahlen ansteigende Brennstoff-Durst zwischen 23 und 79 l/h saugt ordentlich aus dem Tank. Die Überraschung: Bei der von uns erreichten Volllastdrehzahl von 3.600 min-1 hebt sich der Koloss sanft aus dem Wasser und geht mit 22,5 Knoten in Gleitfahrt über! Jetzt verköstigen die Maschinen zwar satte 134 l/h, doch in der Praxis bedeutet das Beschleunigungsverhalten des Trawlers, dass man durchaus ´mal sportlich Gas geben kann, wenn es denn erforderlich ist. Mit dabei vermerkten 78 dB(A) am Gehörgang des Bootsführers bleibt der Schallpegelwert immer noch erträglich.
Die mit im Vakuum-Injektionsverfahren gefertigten Decksaufbauten und einem handlaminierten Rumpf aufwartende Cranchi Eco Trawler 43 LD erweist sich als rundum gelungene und komfortorientierte Tourenyacht. Es handelt sich um ein sehr geräumiges Langtörn-Boot mit vorbildlich sicheren Laufeigenschaften, das sowohl im Binnen- als auch im Butenbereich eine gute Figur macht. Selbstverständlich sollte man dabei die Durchfahrtshöhe von immerhin 5,37 m im Auge behalten. Bei einem Tiefgang von lediglich 90 cm dürften auch die meisten Nebenwasserstraßen befahrbar sein. Der optionalen Ausstattung sind nach oben hin kaum Grenzen gesetzt, und für ein Höchstmaß an Individualität kann der betuchte Interessent den Rumpf in allen RAL-Farben auch beim deutschen Händler Enjoy Yachting aus Hannover ordern.