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ARCTIC Commuter 25 OB

TEST ARCTIC Commuter 25

Neues vom Pendler

Mit seiner auffällig-schnittigen Optik setzte der ARCTIC Commuter 25 – Daycrusier auf der „boot“ in Düsseldorf 2016 auf Anhieb ein Achtungszeichen in der Fachwelt. Damals noch von einem Innenborder angetrieben, folgte bald die OB-Version mit zwei Außenbordern. In diesem Fall mit zwei Evinrude E-TEC G2 Zweitakt-V6-Motoren mit je 300 PS ausgerüstet, kommt der Commuter (Pendler) eher als Wolf im Schafspelz daher.

Der Arctic Commuter 25 OB auf offener See

Die Geschichte der noch jungen Bootsmarke ist interessant. 2014 kaufte ein Gruppe junger und Boot- begeisterter Investoren aus Estland die Rumpfformen der norwegischen Askeladden-Boote mit den Bezeichnungen Commuter 8 und 11 (also Pendler 8 und 11). Neben der Lizenz diese Formen für den eigenen Bootsbau zu verwenden, legten die Norweger den Esten auch detaillierte Zeichnungen, Bilder, sowie Fertigungs- und Montageanleitungen obendrauf. Mit diesen Basics umfangreich und bestens ausgestattet, machten sich die Esten auf die Suche nach einer geeigneten und erfahrenen Werf, die mit „Gabmaryachts“ im polnischen Gizycko (Lötzen) in den Masuren gefunden wurde. Bevor diese Werft Motorboote baute, wurden dort unter dem Namen „Comar Yachts“ Segelboote hergestellt.

Optisch ist der Arctic Commuter 25 eine echter Augenschmaus

Doch bevor die erste ARCTIC Commuter 25 in die Produktion ging, machten die pfiffigen Esten weitere Hausaufgaben. Ausgehend vom hervorragenden Askeladden-Rumpf, wurde das Boot von slowenischen Designern quasi zu einer neuen Marke projektiert. Neben einem neuen Heckteil für Außenbordmotoren, stylte man das Steuerhaus und die Decksaufbauten. Man kümmerte sich um das Interieur, die Materialien und um Fertigungstechnologien. So entstand aus der ursprünglichen „Askeladden Commuter 8“ die neue ARCTIC Commuter 25 und im Frühjahr 2016 präsentierte ARCTIC auf der „boot“ Düsseldorf dann das erste bestellbare Serienboot mit zeitgemäßen und jugendlich-frischer Optik.

Und weil man bei ARCTIC Boats ehrgeizige Ziele verfolgt, entwickelten die Bootsbauer auch eine Variante mit Außenbordmotorisierung. Im Mai 2016 wurde die brandneue und bisher noch nicht offiziell der Öffentlichkeit vorgestellte „Arctic Commuter 25 OB“ mit einer Evinrude E-TEC-Doppelmotorisierung auf den masurischen Seen getestet. Skipper durfte genau dieses „Modell Nummer 1“ auf der Nordsee vor dem holländischen Scheveningen unter die Lupe nehmen.

Die beiden Envinrude E-Tec’s treiben die Arctic Commuter 25 mit 600 PS voran

Schon der erste Anblick der 9,27 m langen (Lüa) und 2,90 m breiten Arctic Commuter 25 löst beinahe Freudentränen aus. Eine massive und dicke rund um das Boot laufende schwarze Scheuerleiste mit Schaumfüllung macht das Deck zur Festung. Am Heck prangen zwei dunkelblaue Evinrude E-TEC G2 V6-Zweitakter der neusten Generation mit je 300 PS. Durch den Heckanbau wird das Boot nicht nur optisch verlängert, sondern bekommt insgesamt etwas mehr Länge – von 8,5 auf ca. 9,3 m. Farbgebung, Design und Motorisierung unterstreichen Agilität und Power. Schon rein optisch ist das Boot eine Freude und zieht die Blicke auf sich. Kommen wir zunächst zum Interieur und den Decksaufbauten. Das Steuerhaus samt Cockpit mit einer Stehhöhe von 180-200 cm ist 172 cm breit und bis zum Niedergang der Kabine 240 cm lang. Es biete eine gute Rundumsicht und bequemen Platz für bis zu 6 Personen, auch wenn das Boot für 9 Personen zugelassen ist. Man fühlt sich darin gut aufgehoben und sicher vor rauer See geschützt.

Ausfahrt aus dem Hafen Scheveningen bei Den Haag in den Niederlanden

Der Steuerstand in mattgrauer Optik ist übersichtlich, alle wichtigen Instrumente befinden sich in Reichweite. Es dominieren die Evinrude-Gashebel und eine Simrad NSS9 evo2 Kartenplotter-Multifunktionsheit direkt über dem Steuerrad. Das Funkgerät und ein ‚on-Board mini monitor‘ – er zeigt Batterieladezustände und Tankinhalte auf einen Blick an – sind gut sichtbar steuerbords oberhalb des Steuerstandes angebracht. Das höhenverstellbare und sehr griffige Leder-Steuerrad sorgt zusammen mit ergonomischen und professionell gefederten „Grammer“-Sitzen für eine sehr gute Sitzposition des Skippers. Hat man hier einmal Platz genommen, will man aus dem Drei-Türen-Steuerhaus so schnell nicht mehr weg.

Das Deckshaus der Arctic Commuter 25 bietet vier Personen genügend Platz und Komfort

Eine Besonderheit des Innenraumes der Arctic Commuter 25 ist die Mini-Pantry (55 x 44 cm) am Cockpit vor dem Backbordsitz, die sich unter einem grauen Deckel verbirgt – sie gab es schon bei Askeladden. Unter ihm befindet sich ein einflammige Spiritus-Kochstelle und ein Spülbecken. Diese einfache „Küchenzeile“ macht durchaus Sinn, denn wer will schon auf einem Spaß- oder Arbeitsboot Menüs kochen und klapperndes Geschirr hören. Es reicht für Kaffee, Konservengerichte und den kleinen Abwasch – fertig. Allein die Mechanik des Deckels war auf dem Test-Prototyp noch nicht serienreif und wird neu konstruiert. Besonders auffällig sind auch im Innenraum 30 mm dicke Haltegriffe, die als Handläufe über das gesamte Boot verteilt an jeder Stelle für sicheren Halt sorgen.

Der Steuerstand des stylischen Pendlers

Das gute Platzangebot in der Kabine wird lediglich durch ein kleines Detail getrübt, welches die Bewegungsfreiheit zur Hecktür hin etwas einschränkt. Der Kabinentisch steht auf einem 18 cm hohen Absatz, der gleichzeitig eine scheinbar überflüssige Treppenstufe innerhalb der Kabine darstellt. Wenn der Skipper für schnelle Handgriffe durch die 52 cm breite Tür zum Heck will, könnte er von diesem kleinen Podest jäh gestoppt werden. In der Kabine befindet sich backbords unter der Sitzbank noch eine 2,00 m lange ‚Hundekoje‘, die nichts für Leute mit Platzangst und als Bedarfskoje zu sehen ist.

Das weitläufige Deck ist mit Flexiteek ausgelegt und garantiert beste Bewegungsfreiheit. Auf dem etwa 224 x 135 cm großen Achterdeck gibt es zwei große Staufächer (47x39x72) und einen 52 cm breiten Durchgang zur 90 x 250 cm großen Heckplattform, an der die beiden Motoren prangen. Auch dort gibt es zwei Staufächer, die z.B. als Hälterboxen für frischen Fisch genutzt werden könnten.

In der Plicht mit Hecktür ist ausreichend Platz und es gibt praktische Stauräume

Ein 24 bis 28 cm breites Gangbord führt vom Heck zum Bug, wo man auf einer Freifläche von 100 x 225 cm und einem Sitz (43 x 53 cm) relaxen kann. Bugspriet und Heckplattform sind in stylischer Carbon-Flexiteek-Optik gehalten. Die innere Bordwandhöhe ist mit nur 52 cm etwas knapp bemessen. Einschließlich aufgesetzter und dicker 30 mm-Reling erhöht sich die innere Bordwandhöhe auf 68 cm, was bei einem ca. 175 großen Menschen etwa die Höhe kurz über dem Knie bedeutet. Also immer gut festhalten! Unter den massiven und sehr stabilen Bugspriet-Luken mit griffig-stabilen Bodenhebern befindet sich die elektrische Ankerwinsch – alles sehr solide und sauber verarbeitet.

Am Bug verbirgt sich eine elektrische Ankerwinde

Insgesamt lässt die Verarbeitung der Arctic Commuter 25 kaum etwas zu wünschen übrig, wenngleich hier bei Modell Nummer 1 nur an wenigen Stellen nachgebessert werden muss. (Pantry-Deckel, Türschloss zur Sanitärzelle, Spaltmaße in den Kabineneinbauten). Doch es wäre pingelig, hier wirkliche Mängel zu sehen. Im Gegenteil, alles wirkt solide und auf einem hohem handwerklichen Niveau. Die Sanitärzelle mit elektrischem Marine-WC gefällt durch ein beinah üppiges Platz- und Sitzangebot. Selbst große Menschen könnten hier auf den Gedanken kommen, Zeitung zu lesen wollen – toll!

Aber wie verhält sich nun das Boot auf dem Wasser? Angesichts der beiden brachialen 300-PS-Motoren und dem tiefen, steifen V-Rumpf (ein Sandwich-Rumpf mit Schaumkern und im hochwertigen Vakuuminfusionsverfahren hergestellt) darf man einiges erwarten. Nach dem Start der beiden E-TECG2-Sechszylinder mit 20-Zoll-Propellern surren diese wie leise Kätzchen vor sich hin. Ist der Gang eingelegt, schieben sie das Boot bei 500 Umdrehungen langsam mit 3 Knoten dahin. Die Ausfahrt aus dem großen Scheveninger Hafen wird zum Kinderspiel. Das Boot läuft hundertprozentig geradeaus, reagiert sofort auf Steuerbewegungen. Mit fein dosiertem Gas, die Gashebel sprechen im unteren Drehzahlbereich etwas langsam an, verlassen wir mit 1100 Umdrehungen und 5,4 Knoten (10 Km/h) gemütlich den geschützten Nordseehafen. Vor uns liegt die offene See bei zunehmenden Wind (4 Bft) und einer Wellenhöhe (Dünung) bis zu 0,8 m.

Es macht Spaß, mit der Arctic Commuter 25 sportlich zu cruisen

Überraschenderweise sind die beiden Zweitakter am Heck auch bei zunehmender Drehzahl zunächst kaum zu spüren und zu hören. Die durchdachte Motoraufhängung am Heck minimiert Vibrationen und die hochwertige norwegische „Ertec“- Decksverglasung lässt unerwünschte Geräusche weitgehend draußen. Den Kontrollmonitor des E-TEC – Motorenmanagements fest im Blick, geben wir Gas. Bis 2500 Umdrehungen passiert allerdíngs nicht gerade viel, scheint das Ansprechverhalten der Maschinen verzögert und wir „dümpeln“ bei 10 Knoten (18,5 Km/h) dahin. Doch es ist nur ein winziger Schritt von weiteren 300 Umdrehungen, bis die Maschinen bei 2800 Umdrehungen förmlich explodieren und ihren wahren Zweitakt-Charakter zeigen. Die Arctic Commuter 25 hebt sich bei 16 Knoten aus dem Wasser, ist bei 3500 Knoten schon 25 Knoten schnell. Mit zunehmenden Gas wird man in die Sitze gepresst und der Pendler geht ab wie ein Sprinter. Jetzt könnte man beruhigt den Hebel zurücknehmen und in ordentlicher Gleitfahrt um 30 Knoten Sprit sparen. Aber bei einem angegebenen Spritverbrauch von ca. 2,2 Litern pro Seemeile in Vollast bei 5500 bis 6000 Umdrehungen wollen wir mehr aus dem Boot kitzeln. Es geht steil nach oben, bei 5100 Umdrehungen sind 43 Knoten erreicht und wir brechen den Speedtest wegen zunehmender Wellen hier ab. Später erreicht mich ein Foto des deutschen Importeurs Martin Porath, der die Arctic Commuter 25 unter besseren Bedingungen bei 5550 Umdrehungen auf 48 Knoten bringen konnte.

Zwei 300 PS starke Evinrude E-Tec-Zweitakter dominieren das Heck
Die Evinrude-Motoren-Kontrolleinheit am Steuerstand

Laufen die E-TEC’s bis etwa 4500 Knoten wirklich kaum vernehmbar leise, so heulen sie zum Vollastbereich hin kernig auf. Die Geräusche in der Kabine halten sich dennoch in vertretbaren Grenzen. Das Fahrverhalten bleibt im gesamten Drehzahlbereich stabil und sicher. Ein drehzahlgeregeltes Bugstrahlruder sorgt in Verbindung mit dem gut zu dosierenden Gashebel für feinfühlige Hafenmanöver, besonders in engen Boxen. Die Trimmeinheit von ‚Lenco‘ kann auf Automatik eingestellt oder manuell bedient werden. In der Praxis scheint die manuelle Trimmung präziser zu funktionieren. Einen Vollkreis im Radius von knapp zwei Bootslängen zirkelt das Boot mit nur zwei vollen Umdrehungen des Steuerrades. Über die See und durch die Wellen marschiert der Pendler wie ein furchtloser Abenteurer ohne wenn und aber. Von einem Boot mit der CE-Zertifizierung B (Offshore) darf man das nicht anders erwarten. Die ARCTIC Commuter 25 OB hinterlässt zu jeder Zeit ein Gefühl von Sicherheit – vor allem unter rauen Bedingungen. Alles in allem sind die tadellosen Fahreigenschaften des 25-Footers überzeugend und machen Spaß – super!

Die Arctic Commuter 25 ist in Seetauglichkeitskategorie B zertifiziert

Fazit: Will der Pendler mit dieser 600-PS-Motorisierung in erster Linie schnelles Spaßboot und Personenshuttle sein, so entdeckt man in ihm auf den zweiten Blick das ideale Trollingboot zum Schleppangeln. Schon jetzt bieten sich die Decksaufbauten samt Geräteträger zum professionellen Trolling-Tuning an. Downrigger, Planerboards und Rutenhalter können variabel angebaut werden. Z.B. mit einem Mercury Verado V6 350 PS angetrieben, könnte die ARCTIC Commuter 25 OB das optimale Trollingboot sein! Dafür spricht nicht zuletzt auch der fast unschlagbare Preis. Das Testboot kostet  netto in umfangreicher Ausstattungsvariante mit zwei E-TEC’s 148.000,- Euro. Doch, und jetzt muss man sich festhalten, das ganze Boot in Standardausrüstung kostet netto 94.000,- Euro! Wer die Arctic Commuter 25 zum Trollingboot aufrüsten will, dürfte je nach Rechengeschick und Motorisierung mit knapp 130.000 Euro hinkommen. Das ist kaum zu toppen und wohl nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Pendler vor unseren Küsten aufkreuzen.

Majestätische Einfahrt der Arctic Commuter 25 in den Hafen von Scheveningen

Karnic SL 800

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