Ultimativer Renner – Cigarette 41 SD AMG GT3
Für die einen ist es ein spritfressendes und teures Ungetüm, für die anderen ein absoluter Traum. Die Powerboote der legendären US-Marke Cigarette sorgen bei ihren Liebhabern für jede Menge Spaß und heftige Adrenalin-Schübe. Ich durfte mit der 2.200 PS starken Cigarette 41 SD AMG GT3, dem schnellsten Konsolenboot der Welt, auf dem Rhein Gas geben.
Als der erfolgreiche Bauunternehmer und Sportfischer Don Aronow anno 1959 im Alter von nur 32 Jahren finanziell gut gepolstert in den Vorruhestand ging und mit seiner Familie von New Jersey nach Miami zog, hörte er vom Miami-Nassau-Rennen mit starken Powerbooten. Er ließ sich ein 28-Fuß-Boot bauen und wurde vom Rennsport-Virus infiziert. Aronow gründete die drei Bootsfirmen Formula Marine, Donzi und Magnum Marine, die er später wieder erfolgreich verkaufte. 1969, Don Aronow hatte sich längst einen Namen im Bootsrennsport gemacht, baute er ein Boot und nannte es ‚The Cigarette‘. Die Legende sagt, dass hierbei das ehemaligen Zigarettenschiff ‚The Zigarette‘ Pate stand, welches in der Prohibitionszeit des Alkohol- und Tabakschmuggels (1920-1933) verboten wurde.
Nachdem Aronows 32-Fuß Cigarette debütierte, gewann der Amerikaner zwei Weltmeisterschaften und die dritten aufeinander-folgenden US-Championships. Er gründete das Cigarette-Racing-Team und war mit dem späteren US-Präsidenten George H.W. Bush befreundet, der übrigens selbst eine Cigarette fuhr. Aronows Boote siegten in mehr als 350 Offshore-Rennen und wurden wegen ihrer Geschwindigkeit gerne für den Kokainschmuggel genutzt. Am 3. Februar 1987 wurde Mr. Aronow am Ende der 188. Straße in Miami, wo auch die genannten Bootsfirmen ansässig waren, in seinem schneeweißen Mercedes SL erschossen. Hintergrund für den Mord soll ein Geschäftsstreit gewesen sein. 2002 kaufte der Chicagoer Geschäftsmann Skip Braver das Unternehmen, um die Zukunft der Marke zu sichern. Die Werft bezog einen neuen Standort in Opa-Locka, Florida, und stellt seitdem regelmäßig neue Modelle vor. Dabei geht es nicht mehr vordergründig um Technologieentwicklungen für den Rennsport mit eher spartanisch ausgestatteten Booten. Der Zeitgeist und ein verändertes Nutzerverhalten erfordern heute Performance, und zwar kombiniert mit Lifestyle. Dass diese Boote allerdings so komfortabel wie schwimmende Luxusyachten ausgestattet sind, darf man nicht erwarten, es sind und bleiben waschechte und mit Kultstatus behaftete Speedboote. Kooperationen mit AMG-Mercedes oder Ducati sorgen für den elitären Anspruch eines feinen Kundenstamms, dem die Begriffe Macht, Markenimage und Status wichtig sind.
Die Möglichkeit, in den Genuss einer Fahrt mit einer 1.618 kW (2.200 PS) starken Cigarette 41 SD AMG GT3 zu kommen, hat man als „Otto Normalskipper“ entweder selten oder nie. Deshalb folgten wir gerne der Einladung des deutschen Cigarette-Importeurs Alfred Zurhausen, dem Kopf der Marine Partner Network GmbH & Co. KG.
Den ultimativen Geschwindigkeitsrausch erlebten wir dann auf dem Rhein bei Neuwied. Die Cigarette 41′ SD AMG GT3 ist eine Einzelanfertigung, die jedoch auf Kundenwunsch genauso reproduziert werden kann. Das Modell ist die mit Innenbordern ausgestattete Variante der minimal größeren Schwester 42′ Huntress, die inzwischen mit fünf (!) Mercury-Racing Verado-400-Außenbordern angeboten wird. Mit weißem Oberdeck und einem silberfarbenen Rumpf flößt die von AMG designte Cigarette Respekt ein und zieht die Blicke gleichzeitig magisch an. Wow, so etwas sieht man nicht alle Tage! Während das Topmodell, die offene 50′ Marauder, mit bis zu 2.279 kW (3.100 PS) im Bauch beinahe schon furchteinflößend aggressiv wirkt, gibt sich die mit einem T-Top teilüberdachte GT3 eher versöhnlich und einladend, aber dennoch äußerst cool. Ins Cockpit des 13 m langen Powerbootes gelangen wir durch eine 56 cm breite Tür auf der Steuerbordseite. Ein Clou ist, dass durch diese Tür eine Badeleiter aus dem Teak-Deck nach außen ausgeklappt werden kann. Im Achtercockpit dominieren zwei gepolsterte Sitzbänke, von denen die Heck-Dreier-Sitzbank zusammen mit der großen Luke des Maschinenraums hydraulisch hochgefahren wird. Das Achtercockpit bietet fünf Sitzplätze und genügend Stauräume. Drei weitere zusammengefasste Einzelsitze befinden sich vor der zentralen Mittelkonsole, die alle technischen Instrumente, das sportive Ruder und die unter Fans unverzichtbare Livorsi-Vierhebelschaltung beherbergt. Mittelkonsole und Sitzgruppe mit stabilen Fußtritten werden von einem stylischen T-Top überdacht, die Steuerstand-Crew ist durch eine breite Windschutzscheibe vor dem Fahrtwind geschützt. Zum Vorschiff geht es beidseitig über ein 60 cm breites Gangbord. Die umlaufende Freibordhöhe beträgt einen Meter, und nicht ohne Grund hat man das Boot mit komplett umlaufenden Haltegriffen ausgestattet. An den Steuerstand schließt sich zum Vorschiff hin eine kleine Kabine an, in der sich in einem 150 x 150 cm großen und 190 cm hohen WC-Raum auch eine 95 cm hohe Schlupfkoje befindet, gerade groß genug für zwei Personen. Auf dem Vorschiff finden wir weitere gemütliche Sitzgruppen und Stauräume. Und weil bei den Cigarettes auch das Bordentertainment eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt, wurden im ganzen Oberdeck leistungsstarke Beschallungsanlagen verbaut. Insgesamt wirkt das sehr sehenswerte Hightech-Boot sehr aufgeräumt und klar strukturiert.
Doch kommen wir endlich zur Sache und erzählen Ihnen, wie sich das Boot auf dem Wasser verhält. Zunächst sei angemerkt, dass man bereits vor dem Anlassen der Triebwerke jegliche Aufmerksamkeit im Hafen auf sich zieht. Eine Cigarette polarisiert. Spätestens nach dem Start dürfte es auch den letzten ignoranten Gunstverweigerer neugierig aus seinem Stuhl heben. Sind die beiden jeweils 809 kW (1.100 PS) generierenden V8-Mercury-Racing-Triebwerke gestartet, entfaltet sich sofort ein sonores und satt blubberndes Laufgeräusch, die manche als aufdringlich und andere als „einfach nur geil“ empfinden. Jetzt den Gang eingekuppelt, und langsam schieben wir uns bei 700 min-1 dem Rhein entgegen. Dabei ist das Boot gute fünf Knoten schnell. Schon jetzt ist zu spüren, dass im Maschinenraum die Affen aus dem Käfig wollen und mit unbändiger Kraft gewaltig am Gitter rütteln. Was dann passiert, ist in Worten nur schwer zu beschreiben und wir geben die Geschwindigkeit zum sofortigen geistigen Verständnis diesmal in Kilometern pro Stunde an. Unser High-Speed-Guide Alfred Zurhausen gibt langsam und mit viel Feingefühl Gas. Ein eher zurückhaltender Anschub ist notwendig, damit die Oberflächenpropeller der Z-Antriebe keine Kavitation erzeugen und gleich vollständig greifen. Es dauert etwa 15 Sekunden, bis das neun Tonnen schwere Wasserfahrzeug seine Nase senkt, bei 2000 min-1 in Gleitfahrt übergeht und dabei schon 45 km/h schnell ist! Jetzt startet die Rakete durch. Die Turbolader pfeifen wie die Triebwerke eines Düsenjets und nun ist festhalten angesagt. Brillenträger müssen auf ihre Brillen achten und Leute mit Toupet auf die künstliche Haarpracht. Die Gesichter verzerren sich wie bei einem Fallschirmsprung, leichtes Gepäck im Achterdeck wird sanft angehoben und könnte sogar blitzartig über Bord gehen. Jetzt verstehe ich Alfreds Ratschlag, wirklich alles unter Deck zu verstauen, und er gibt weiter gnadenlos Gummi. Die Häuser am Ufer fliegen vorbei und Frachtkähne scheinen wie angewurzelt stehenzubleiben. Bei 6200 min-1 erreichen wir mit 165,4 km/h (89,3 Knoten) einen fantastischen Topspeed und liegen damit nur knapp unter dem GT3-Rekordwert von sage und schreibe 167 km/h.
Jetzt bin ich an der Reihe, übernehme mit der gebotenen Ehrfurcht das Ruder und drücke zögernd den Gashebel nach vorn. Der Renner gleitet, nimmt willig an Tempo zu. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl und erfordert Respekt, ein in diesem Fall 1,5 Millionen Euro teures Freizeitboot quasi zum Spaß zu bewegen. Der in jeder Hinsicht extravagante 41-Footer geht dermaßen brutal los, dass ich knapp über der 100-km/h-Marke unwillkürlich das Gas zurücknehme und doch in eine Art Geschwindigkeitsrausch komme. Es ist erstaunlich, wie souverän sich diese Cigarette auf dem betonharten Wasser verhält, Querwellen wie ein Skalpell durchschneidet oder förmlich übers Kabbelwasser hinwegfliegt. Das Boot liegt ausgesprochen sicher, auch wenn ganz eng gezirkelte schnelle Kurven wegen der Oberflächenpropeller möglichst zu vermeiden sind. Für Hafenmanöver gibt es keinen Bugstrahler, denn das Loch im Rumpf würde die Bootsstruktur bei hohen Geschwindigkeiten zerstören. Bekennende Cigarette-Fans lieben diesen Purismus und würden niemals thematisieren, dass man mit einer 1.330-Liter-Tankfüllung nur etwa drei Stunden mit Vollspeed umher sausen kann. In der Theorie bedeutet das, immerhin knapp 500 Kilometer weit fahren zu können. Potenzielle Interessenten müssen, dies als abschließende Info, nicht unbedingt zur Spitzenmotorisierung greifen, sondern können eine Cigarette dieses Typs auch von zwei 272 kW (370 PS) leistenden Mercury-TDI-370-Dieselmaschinen mit Joystick-Steuerung antreiben lassen. Dann wird das Konto „nur“ mit einer Million Euro belastet. Man spart also ganz nebenbei 500.000 Euro und wird trotzdem jede Menge Spaß haben.