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Die Saale

Revier-Report – Die Saale – ein unentdeckter Fluss

Mit einer Gesamtlänge von 413 Kilometern ist die Saale der zweitlängste Nebenfluss der Elbe. Wir haben die Saale zwischen Merseburg bis Calbe per Motorboot erkundet. Doch von seiner Quelle im oberfränkischen Zell in Bayern bis zu seiner Mündung in die Elbe bei Barby in Sachsen-Anhalt ist die Saale für motorisierte Wassersportler ein weitgehend unentdeckter Fluss. Erst wo die Saale etwa ab Kilometer 124 flussabwärts bei Merseburg zur Bundeswasserstraße wird, ist sie bis zur Mündung durchgängig mit Motorbooten befahrbar – ein Reisebericht.

Eingeschnitten in tiefe Täler, Berg- und Hügellandschaften, ist die im bayerischen Fichtelgebirge bei Zell entspringende Saale bis heute ein Kleinod und Geheimtipp für Wassersportler. Dabei hat der durch Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt verlaufende einstige innerdeutsche Grenzfluss nicht nur Geschichtliches zu bieten. Unberührte Natur, fünf Stauseen, glasklares Wasser, zahlreiche Burgen und Schlösser, malerische Flusstäler und Fjorde geben dem Fluss seinen Charme und Charakter.

In seinem Oberlauf vom bayerischen Zell bis zum thüringischen Naumburg ist die wassersportliche Nutzung des bis dahin relativ naturbelassenen Flusses vor allem Kajakfahrern, Kanus und Paddelbooten vorbehalten. Radwanderer können die gesamte Saale von der Quelle bis zur Mündung über einen 427 Kilometer langen und gut ausgebauten Radwanderweg erkunden. Vorbei am ehemaligen innerdeutschen Grenzörtchen Sparnberg unterhalb der A9 bei Hirschberg, mäandert der Fluss durch das Thüringer Schiefergebirge. Er passiert eine fünfstufige Stausee-Kaskade, von denen die Talsperren Bleiloch und Hohenwarte die größten sind. Alle fünf Saale-Stauseen dienen der Energieerzeugung durch Wasserkraft.

Bei Kaulsdorf bricht der Fluss durch die Randplatten des Thüringer Beckens, passiert die Städte Saalfeld/Saale, Rudolstadt und Jena. Er durchquert den malerischen Naturpark Saale-Unstrut-Triasland mit den Städten Dornburg-Camburg und Bad Kösen, nimmt bei Naumburg die Unstrut mit. Bei Weißenfels beginnt der Unterlauf des Flusses und die Landschaft wird zunehmend flacher. Es folgen die Städte Bad Dürrenberg, Merseburg und Halle/Saale. Unterhalb von Halle quert die Saale die sogenannten ‚Brachwitzer Alpen‘ bei Brachwitz, die Stammburg der Wettiner in Wettin, fließt vorbei an den roten Porphyrfelsen bei Rothenburg, über Bernburg, Calbe bis zur Mündung in die Elbe bei Barby.

Etappe 1 – Von Merseburg bis Salzmünde

Für Motorboote und Fahrgastschiffe ist die Saale leider nur auf wenigen Teilabschnitten zwischen Naumburg und Weißenfels befahrbar und wird dort natürlich auch touristisch genutzt. Eine Flussabfahrt mit Motorbooten von Weißenfels nach Merseburg über Bad Dürrenberg ist wegen zu niedrigen Wasserstandes allerdings nur schwer möglich.

Erst ab Kilometer 124 flussabwärts, wo die Saale zur Bundeswasserstraße wird, ist die vollständige Befahrbarkeit über insgesamt 12 Schleusen bis zur Mündung in die Elbe sichergestellt. Genau deshalb begannen wir Mitte Juli unsere Saale-Abfahrt am Kilometer 116,6 – an der Slipanlage des Motorsportclubs ‚MC Saale‘ am südlichen Stadtrand von Merseburg. Wir, das sind mein Guide Max Pfeifer (38) vom Bootsverleih Halle und ein offenes rotes Plastikboot mit einem 15-PS Johnson. Der Einsatzort ist bestens gewählt und eine Top-Empfehlung für den motorisierten Saale-Törn. Auf dem Gelände des ‚MC Saale‘ kann man von April bis September bequem slippen und seinen Trailer samt Auto sicher stehenlassen. Das nette Hafenmeisterehepaar Christel (68) und Heiko (70) Krems freut sich über Gäste. Gegen 10:20 Uhr heißt es für Max und mich ‚Leinen los!‘. Das Wetter zeigt sich von seiner sonnig- warmen Seite, in Sachsen-Anhalt sind bereits große Ferien und es ist Urlaubszeit. Der Fluss ist hier etwa 30 Meter breit und fließt in einer sanften Kurve träge dahin. Schon 140 Meter weiter stehen wir vor der ersten Schleuse. Die idyllische Rischmühlenschleuse in Merseburg wird per Hebel selbst bedient. Wir sind allein in der Schleuse und es geht ca, zwei Meter tief nach unten. Ab hier beginnt die eigentliche Bundeswasserstraße und alle kommenden Schleusen gehören zum Hoheitsbereich des WSA Magdeburg. Der Einstieg in den Törn beginnt vielversprechend.

Hinter der ersten Schleuse führt ein Kanal wieder zur ursprünglichen Saale und nach einer langen Biegung kommen bei Kilometer 113,8 die Türme des Merseburger Schlosses und des Doms in Sicht. So habe ich mir die Saale vorgestellt, mit Schlössern, Türmchen und malerischen Silhouetten. Nur wenige Meter weiter liegt bei Kilometer 113,5 schon Schleuse Meuschau. Hier an der idyllischen Mühleninsel, mit herrlichem Rückblick auf die Türme Merseburgs, kann die Schleusung unter Telefon 0171-686 69 06 angemeldet werden. Wir warten nur wenige Minuten, dann winkt uns der freundliche Schleusenwärter herein.

Vorbei am Bootshaus der „Merseburger Rudergesellschaft e.V“, mit Gaststätte und Übernachtungsmöglichkeit, schlängelt sich hier die Saale etwa 50 Meter breit in purer Natur hin. Bis zur nächsten Schleuse sind es knapp sieben Kilometer. Am Kilometer 109,0 erlebe ich eine weitere Überraschung. Ein scheinbar außer Betrieb gestellter Anleger verweist auf das Schlosshotel Schkopau. „Nach dem schweren Hochwasser 2013 wurden zahlreiche Steganlagen weggespült oder danach nicht wieder in Betrieb genommen“, weiß mein Guide Max. Ich bin neugierig und mache mich zu Fuß zu diesem abgelegen und als Geheimtipp geltenden Vier-Sterne-Hotel auf. Nach 600 Metern habe ich das Traumschloss hinter hohen Bäumen erreicht. Es ist schade, dass der abgelegene Saale-Bootsanleger zum Schloss ungesichert ist. Es bleibt etwa das Gefühl, ein Auto oder eine Wohnung mit offen gebliebenen Türen zu verlassen – ein Risiko. So kann der Besuch des Schlosses nur ein kurzer Blick auf die Anlage sein,

Bei Korbetha, etwa am Kilometer 106,0, wechselt die Idylle kurzzeitig zu technischen Verkehrs- und Industrieansichten. Auf der rechten Seite tangiert eine lange ICE-Brücke den Fluss und auf der linken Seite erheben sich die Türme, Schlote und Anlagen verschiedener Schkopauer Chemiebetriebe. Doch schon am Kilometer 105,0 ist der industrielle Spuk vorbei. Wie von Zauberhand ähnelt hier die Flusslandschaft eher dem Spreewald, mit Schafen und kleinen Weiden – traumhaft.

An unserer dritten Schleuse am Kilometer 104.4 bei Planena, treffen wir nach 12 Kilometern auf der Saale die ersten Kanu-Wassersportler. Obwohl Sommer und Hochsaison, scheint der Fluss bisher wie ausgestorben. Gemeinsam warten wir gegen 13:00 Uhr vor der automatischen Selbstbedienungsschleuse und kommen ins Gespräch. Uwe (55, Bauunternehmer) und Holm (48, Straßenbauer) sind harte Kerle aus Weißenfels, die einfach mal von ihren Jobs und ohne Ehefrauen ausspannen möchten. „Wir wollen vier Tage zelten, angeln und die Natur genießen. Für unsere Frauen ist das zu unkomfortabel“, gestehen die beiden.

Erst vor drei Jahren hat Uwe, der schon seit vielen Jahren auf der Saale paddelt, seinen Kumpel Holm mit Saalewasser infiziert. „Hier im Kanu kann ich mal richtig erholen, die Stille und die Natur genießen. Gestern Abend habe ich eine schöne Bachforelle geangelt, die wir auch gleich zum Abendbrot gegrillt haben“, erzählt Holm. „Die touristische Infrastruktur hier am Fluss ist leider noch sehr ausbaufähig. Es gibt keine Gaststätten-Anleger und man ist relativ auf sich allein gestellt. Das hat aber seinen Reiz“, erklärt Saale-Spezi Uwe und bestätigt, dass es bei Bad Dürrenberg ( also oberhalb von Merseburg) kein Durchkommen für Motorboote gibt: „Da ist der Fluss nur eine Paddelbreite tief!“

Nach der Schleuse Planena wird die Saale durch die Zuflüsse von Luppe und Weißer Elster breiter. Wir passieren die Straßenbrücke Halle-Silberhöhe – Röpzig bei Kilometer 102,0 und erblicken die ersten Blöcke von Halle. „Jetzt kommen wir der Zivilisation entgegen“, erklärt mir Guide Max lachend. Gegenüber dem Naturschutz- und Naherholungsgebiet ‚Rabeninsel‘, wartet bei Kilometer 96,3 der ehrenamtiche Hafenmeister Georg Knebel (78) am Steg des Wassersportclubs Rabeninsel e.V. Halle auf mich. Der Verein hat 14 Liegeplätze, Kurzzeit-Gastlieger finden hier immer Platz. Der Verein verzeichnet im Jahr etwa 35-40 Gäste. „Es waren schon Gäste aus Dänemark, Holland, Belgien, England und der Schweiz hier. Aber es könnten gerne noch viel mehr Gäste kommen“, wünscht sich Georg Knebel und er zeigt mir das moderne, vom Konzern Dow Chemical gesponserte, Vereinshaus. „Weil der Konzern für eine Fußgängerbrücke zur Rabeninsel ein Gebäude von uns abreißen musste, haben wir von denen ein neues Haus bekommen. Das vermieten wir gerne für Hochzeiten und Veranstaltungen. Außerdem haben wir jetzt zwei komfortable Gästezimmer“, erklärt mir Georg Knebel, der auf mehr Wassertourismus auf der Saale hofft. Nur 200 Meter empfiehlt sich für Wasserwanderer am Kilometer 96,1 auch das ‚Ruderhaus Böllberg‘, mit Gaststätte und Pension.

Wir passieren die Schleuse Böllberg am Kilometer 95,8, bei der man sich unter der Nummer 0345-4441069 schon aus der Ferne anmelden kann. Nach Unterquerung der Straßenbrücke der Halleschen Magistrale, links liegt Halle-Neustadt, kommt am Kilometer 93,6 schon die vor Ort bediente Stadtschleuse Halle. Sie liegt am westlichen Rand des historischen Stadtzentrum, vom dem aber von hier aus nicht viel zu sehen ist. Leider gibt es auch von hier bis zur nächsten Schleuse keine Anlege- und Ausstiegsmöglichkeiten und man kann noch nicht mal am beliebten Saale-Restaurant ‚Saalekahn‘ festmachen, bitter.

Noch vor der Kunsthochschule Burg Giebichenstein folgt bei Kilometer 92,6 die Schleuse Gimritz und kurz danach wird es interessant. Um in den erst drei Jahre alten Stadthafen zu kommen, muss man 300 Meter nach der Schleuse Gimritz scharf links in die sogenannte ‚Elisabethsaale‘, eine Sackgasse, einbiegen. Wiederum 500 Meter flussaufwärts liegt der Sophienhafen, der als Stadthafen von Halle in einer Art Dornröschenschlaf dämmert. Das auf den Hafen hinweisende Schild bleibt hinter grünem Baumwuchs verborgen. Außer einem Anleger für acht Boote wird der Hafen hauptsächlich vom Spassbootverleih ‚Saalekringel‘ genutzt. Gastlieger sind jederzeit willkommen, es gibt Sanitäranlagen, Strom, Parkplätze, kostenloses WLan und bei Hafenmeister Steven Neutzsch (40) auch ein kleines Getränkeangebot. Der von einem Jugendhilfe-Verein betriebene Hafen hat durchaus Entwicklungspotential nach oben, kann aber Satzungsgemäß nicht kommerziell betrieben werden. Wir kehren um und fahren durch die Brücke an der Peißnitzinsel, vorbei am Bootsverleih Halle (www.bootsverleih-halle.de), der im Sommer sehr beliebten Ziegelwiese und dem felsigen Riveufer, der Burg Giebichenstein und der links liegenden populären ‚Bergschenke‘ der Schleuse Trotha am Kilometer 89,2 entgegen. Auf diesem Flussabschnitt unterhalb der Burg Giebichenstein findet jedes Jahr Ende August das große Laternenfest, ein maritimes Boots-und Lichtspektakel auf der Saale statt. Nach der Schleuse Trotha kommt der mit 30 Millionen Euro sanierte und als Containerumschlagplatz genutzte Binnenhafen Halle, der nicht nur wegen der unzureichenden Saale-Schiffbarkeit für Europaschiffe praktisch nie mehr von Schiffen angelaufen wird. Ab hier werden jedoch die Schleusen flussabwärts größer, haben Hubtore und Einheitsmaße. Sie sind Zeugnis einer Zeit, in der die Saale bis Halle noch für den Binnen-Güterverkehr per Schiff genutzt wurde, wohl bis Ende der achtziger Jahre.

Gegen 17:00 bekommen wir die Ortschaft Lettin ins Blickfeld und erreichen am Kilometer 84,6 den Trompeterfelsen, den Eingang zur Franzigmark – den ‚Brachwitzer Alpen‘. Vorbei an der Autofähre Brachwitz und dem Sportbootanleger auf der rechten Seite am Kilometer 82,0 sind es jetzt nur noch 1,5 Kilometer bis zum ersten Etappenziel am Yachthafen Salzmünde. Der Hafen empfiehlt sich als Anleger, ein Servicebetrieb bietet Dienstleistungen rund ums Boot. Mein Guide Max kehrt von hier nach Halle zurück und ich nehme Quartier in der Gaststätte & Pension ‚Gasthof zum Yachthafen‘ am Schlossberg, wo man überaus preiswert übernachten und sehr gut essen kann.

Meine ersten 40 Saale-Kilometer liegen hinter mir.

Der nächste Morgen zeigt sich grau und regnerisch. Als ich gegen 9:30 Uhr von Armin Brade (48), dem Inhaber des Bootsservice Wettin, mit einem offenen und 1978 in der DDR gebauten ZK 10 – Kutter abgeholt werde, richte ich mich innerlich auf ein nasses Flussabenteuer ein. Doch auch Armin hat vorgesorgt und allerlei Regenzeug an Bord. Mit Elan starten wir in Richtung Bernburg. Kurz vor Mücheln am Kilometer 73,0 erhebt sich eine Porphyrlandschaft und nicht weit kommt die Burg Wettin in Sicht. Die Stammburg der Markgrafen, Kurfürsten und Könige von Sachsen hat eine wechselvolle Geschichte und beherbergt heute das ‚Burg-Gymnasium Wettin‘, mit dem Fachbereich Kunst. Heute gehört die Burg dem Saalekreis und ein Besuch lohnt sich. In Wettin teilt sich die Saale in die drei Flussläufe Kleine Saale, Saale und Obergraben Pögritzmühle auf. Wir fahren in der Mitte am Bootsservice Wettin (www.bootsservice-wettin.de) weiter und kommen bei Kilometer 70,4 an die fernbediente Schleuse Wettin, die nun erste Schleuse mit hohem Hubtor.

Links in der Ferne sieht man die Kalkhalde ‚Johannahall‘ bei Trebitz. Weiter geht es jetzt durch die ‚Toskana Mittel-deutschlands‘ vorbei an den roten Porphyrhängen bei Friedeburg nach Rothenburg. Gegen 11:45 Uhr erreichen wir die Schleuse Rothenburg bei Kilometer 58,7. Hinter der Schleuse kommt am Kilometer 57,2 das beliebte Ausflugslokal ‚Georgsburg‘ bei Könnern, an dem wir wegen eines fehlenden Steges leider auch vorbei fahren müssen. „Die wassertouristische Erschließung der Saale ist ausbaufähig“, befindet mein Guide und Saalekenner Armin. Und überhaupt ist uns von Merseburg bis hierher außer den beiden Paddlern Uwe und Holm noch kein einziges Wasserwanderboot begegnet – im Sommer, in der Ferienzeit! Wir sind auf dem Fluss, abgesehen von wenigen einheimischen Anglern, praktisch allein! Was ist hier los?

Es kommt ein Flussabschnitt mit höheren Ufern und weniger Sicht, eingebettet in grüne Hügel bis nach Alsleben am Kilometer 51,6. Hier bieten sich der Yachthafen Kirschke mit Gastliegemöglichkeiten und ein Stadtanleger für Stadtbummel an. Hinter der Schleuse Alsleben macht die Saale eine ausgedehnte Rechtskurve und unterquert am Kilometer 47,2 die Autobahnbrücke der A14 Halle-Magdeburg. Malerisch geht es bis hinter Plötzkau weiter, wo es am Kilometer 44,5 einen alten und verwunschenen Saalearm gibt. Die Einfahrt in das verborgene Paradies ist flach, hat nur im Mittelwasser etwa 80 cm Tiefe. Aber das Abenteuer wird mit herrlicher unberührter Natur, Stille und einem Schwanenpaar belohnt. Den alten Saalearm bei Plötzkau sollte man sich nicht entgehen lassen, darin haben sich auch schon ein paar einheimische Dauerlieger eingerichtet.

Es folgt eine tolle Flusslandschaft mit buchstäblich sagenhafter Idylle bei Gröna am Kilometer 42,0. Uns begegnet das Ausflugsschiff ‚Saalefee‘ und schon stehen wir vor der beeindruckenden Kulisse des Schlosses Bernburg, unserem zweiten Etappenziel. Dieses Bild muss man auf sich wirken lassen, die Ansicht ist grandios!

Nach nunmehr 80 Saale-Kilometern finde Unterkunft beim Motorbootsportverein „Wasserwandern“ Bernburg, der als einer der aktivsten Vereine an der Saale auch eine eigene Gaststätte betreibt, die ganzjährig geöffnet ist. Hier fühlt man sich sofort gut aufgehoben, bekommt ein günstiges Herbergsbett in einem modernen Vereinshaus. Gastlieger können hier Fäkalien abpumpen, doch eine Wassertankstelle gibt es auch hier wie an der ganzen Saale nicht! Dafür organisieren die hilfsbereiten Bernburger Wassersport-freunde schon mal eine PKW-Fahrt zu nächsten Land-Tankstelle. In der Vereinsgaststätte hat Wirt Gerd Wunderlich (58) das Sagen, ein skurriler und zugleich netter Typ. Seine Essensportionen sind beileibe keine Seniorenteller und er serviert auch ab 07:30 Uhr ein Frühstück, wenn es gewünscht wird. In der Vereinskneipe trifft man auch interessante Leute, wie z.B. Sieglinde Maurer (73) die am 13. Januar 1942 in eisiger Nacht gegen 22:00 Uhr auf der Elbfähre Aken geboren wurde. Am Steg treffe ich auf ein Berliner Ehepaar, dass sonst gerne auf dem Rhein oder der Lahn fährt. Diesmal wollten sie die Saale erkunden. „Es ist unglaublich, dass hier so wenige Boote unterwegs sind. Touristisch muss hier aber noch allerhand getan werden“, sind sich beide sicher.

Am nächsten Morgen fällt der Startschuss zu letzten Etappe. Es regnet, der Tag sieht grau aus. Armin hat Verstärkung mitgebracht, uns wird Saskia (43) auf den letzten Kilometern begleiten. Sie hat erst kürzlich ihren Sportbootführerschein gemacht und möchte gerne mal durch eine Schleuse fahren. So erlebt sie gleich nach unserer Abfahrt in Bernburg ihre erste Schleusung am Kilometer 36,10. Hinter Bernburg macht der Fluss zunächst einen großen Bogen nach Osten und schlängelt sich dann von grünen Ufern umschlossen wie gewohnt Richtung Nienburg dahin. Bei Kilometer 30,0 rückt der optische Eindruck einer hohen Festungsmauer ins Blickfeld, doch dahinter verbergen sich die unsichtbaren Kalkteiche bei Altenburg, die zur Sodaherstellung dienen. Am Kilometer 27,6 wird es wieder spannend, denn hier mündet die Bode aus dem Harz in die Saale. Wir versuchen ein Stück flussaufwärts zu fahren, vorbei am Bootshaus des ‚FSV Nienburg 1990 e.V.‘, wo Bootsreisende Übernachtungsmöglichkeiten finden. Doch nach wenigen hundert Metern ist Schluss, die Bode flach und unpassierbar.

Vorbei an Feldern und einer weiten offenen Landschaft erreichen wir am Kilometer 19,99 die Schleuse Calbe, die letzte Schleuse vor der Saalemündung in die Elbe. Von hier sind es noch 20 Kilometer bis zur Elbe. Da die Schleuse Calbe wegen Wartungsarbeiten zeitlich begrenzt schleust, verzichten wir auf die finalen Kilometer bis zu Elbe, denn unser Boot, der „Saalepirat“, muss ja wieder nach Wettin zurück.. „Da gibt es nicht wirklich was zu sehen, dieser Abschnitt ist eher unspektakulär“, weiß mein Guide Armin.

Stattdessen kehren wir an der Schleuse um und machen einen Abstecher nach Calbe, vorbei am ‚Bootshaus TSG Calbe‘, mit Zeltmöglichkeit. In Calbe selbst gibt es einen Altstadtanleger, an dem wir für einen Stadtbummel festmachen. Auf dem malerischen, mittelalterlich-pittoresken Marktplatz herrscht Markttreiben, ansonsten sagen sich hier Hase und Igel gute Nacht. Selbst zur Mittagszeit bleiben hier Asia-Imbiss und Dönerladen an der Bernburger Straße geschlossen. Dennoch lohnt sich der Ausstieg, denn man hat hier auch einen tollen Blick über das große Saalewehr von Calbe und es gibt gemütliche Cafés. Mit dem Besuch von Calbe ist meine letzte Saale-Etappe abgeschlossen und wir fahren gemütlich nach Bernburg zurück, wo der „Saalepirat“ am nächsten Tag an eine andere Crew übergeben wird. Für mich gehen nach 100 Kilometern drei spannende Tage auf der Saale zu Ende.

Fazit: Gemessen am dünnen Sportbootverkehr, scheint die Saale ein unentdeckter Fluss zu sein. Eine wassertouristische Infrastruktur ist nur bedingt vorhanden. Es ist rätselhaft, warum nur ganz wenige Gastronomiebetriebe einen Bootsanleger haben. Das es von Merseburg bis zur Saalemündung keine Wassertankstelle gibt ist schon fast ein Armutszeugnis. Es scheint, als läge die schöne Saale ohne die vielen kleinen Wassersport- und Rudervereine, Bootsverleiher und den wenigen Fahrgastschiffern in einem Dornröschenschlaf. Das 1999 ins Leben gerufene Netzwerk ‚Blaues Band‘, in dem sich 23 Städte- und Gemeinden u.a. auch zur „Wertschöpfung der Tourismusbranche“ zusammenschlossen, scheint ebenfalls eingeschlafen.

Dabei hat die Saale mit ihren naturnahen Flusslandschaften Potential. Gerade für Bootsführerschein-Neulinge bietet sich der ruhige und sichere Fluss zur Verfestigung der Fahrpraxis an. Familien können hier wunderbar entspannen und gemütlich flussauf- oder flussabwärts schippern. Eine Fahrt auf der Saale lohnt sich – ob mit dem eigenem Boot oder einem Mietboot!

Die Große Berliner Umfahrt

 

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