REISE Lausitzer Seenland – die Sonne geht im Osten auf!
Wo einst Braunkohle abgebaggert wurde, entsteht heute durch die Flutung ehemaliger Tagebaue zwischen Brandenburg und Sachsen das Lausitzer Seenland. Zukünftig werden zehn Seen miteinander verbunden und laden zum Wasserwandern ein. Schon heute verbindet der Koschener Kanal den Senftenberger- mit dem Geierswalder See. Seit der Stilllegung einstiger Tagebaue in der Lausitz, hat man unter Federführung der LMBV (Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH) mit der Flutung und Renaturierung der schwarzen Löcher begonnen. Bis Ende 2018 sollen 7000 Hektar Fläche zu einer neuen Seenlandschaft verschmolzen sein und zehn Seen schiffbar miteinander verbinden. Das milliardenschwere Projekt ist ehrgeizig, technisch anspruchsvoll, eine ökologische Herausforderung und einzigartig. Schon heute bieten über 20 neue Seen zwischen dem Spreewald und dem Lausitzer Bergland aktiven Spaß auf dem Wasser. Mit Entstehung der Seen wachsen nicht nur in der ‚Lausitzer Seenland‘-Region zwischen Großräschen, Senftenberg, Spremberg und Hoyerswerda neue touristische Infrastrukturen heran. Bis zum Berzdorfer See südlich von Görlitz empfiehlt sich Deutschlands Osten als neues Naherholungsgebiet und Urlaubsregion.
Welche Seen sind bereits miteinander verbunden, schiffbar und für Wassersportaktivitäten nutzbar? Schon seit einigen Jahren gibt es auf einzelnen Seen Wassersportangebote für fast jeden Geschmack. Kitesurfen und Wasserski auf dem Bärwalder See, Jetski auf dem Partwitzer See, Windsurfen und Segeln auf dem Geierswalder See, Tauchen im Gräbendorfer See, Sommerlichen Badespaß und Bootstouren gibt es auf dem Senftenberger See, dem Dreiweibern See und der Talsperre Spremberg. Obwohl manche Seen überhaupt noch nicht geflutet bzw. mit Wasser gefüllt sind, werden an den Ufern schon Marinas, Häfen und Anlagen wie zu Gründer- und Erschließerzeiten gebaut. Das Eldorado hat einen neuen Namen: Lausitzer Seenland. Aber es gibt auch Probleme: Hangrutschungen und die damit verbundenen unsicheren Uferzonen, Wassermangel (zur Flutung) und Wasserqualität (Eisendisulfide machen Tagebauseen sauer) stellen die Planer- und Entwickler vor immense Herausforderungen. Im Laufe der Zeit holt sich die Natur jedoch die ihr geraubten Areale zurück. Es grünt und blüht und zwitschert. Erste Wasserpflanzen, Kleinlebewesen und Fische siedeln sich an, Fischreiher finden reichlich Nahrung. Die nachhaltige ökologische Entwicklung dieser Bergbaufolgelandschaft wird durch den Status „Naturschutz Großprojekt- Lausitzer Seenland“ gesichert.
Wir beginnen unsere Erkundungstour am Hafencamp am südlichen Senftenberger See bei Großkoschen, am Büro und Steg des Bootsverleihs ‚expeditours.de‘. Bootsvermieterin und Wassersportlerin Manuela Zahn (39) hat eine ‚Corsiva 570 Classic‘ mit einem 15-PS-Motor startklar gemacht, das Wetter zeigt sich von sonniger Seite. Seit 2007 ist der See schiffbar und damit für Motorboote zugelassen. Es gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 15 km/h für Kleinfahrzeuge.
Der Senftenberger See, einst Braunkohle-Tagebau Niemtsch, wurde bereits 1972 mit dem Wasser der Schwarzen Elster geflutet. Seit Eröffnung eines Strandabschnitts 1973 ist er ein beliebtes Naherholungsgebiet mit hervorragender Wasserqualität. Weil er auch als Speicherbecken Wasser für die Landwirtschaft und im Bedarfsfall für die BASF in Schwarzheide liefert, ist sein Wasserstand veränderlich, Deshalb mussten in den 90’er Jahren weitere Uferbefestigungen gebaut werden, Teile eines Steilufers drohten abzurutschen. Schon bei unserem Start wird mir klar, dass ich hier auf einem künstlich angelegten Gewässer bin. Die Bucht am Hafencamp ist malerisch, erinnert an Mecklenburger Seen. Doch da wo es idyllisch zu werden scheint, da versperren gelbe Tonnen die Durch- und Weiterfahrt. In der Mitte des Sees gibt es eine 250 Hektar große grüne Insel, die aus Abraum des Tagebaus aufgeschüttet wurde. Man darf sie wegen Setzungsgefahren weder betreten noch umfahren. Kardinale Zeichen kennzeichnen Gefahrenstellen und Umfahrungen, gelbe Tonnen weisen auf gesperrte Wasserflächen hin. Die Insel ist von jeder Menge Untiefen umgeben, man kann an vielen Stellen bis zum Grund schauen.
Gut, dann fahren wir eben in die andere Richtung, zunächst nach Nordwesten. Vorbei am großen Hafencamp, am Familienpark Senftenberger See, dem langen Strand und dem Amphitheater Senftenberg geht es zum Koschener Kanal, dem ehemaligen ‚Überleiter 12‘, wie es in LMBV-Sprache heißt. Allein diese Verbindung zum Geierswalder See ist eine technische Meisterleistung. Auf einer Kanallänge von einem Kilometer durchfahren wir zwei Tunnel und eine Schleuse. Tunnel 1 (64,0 Meter) unterquert die Bundesstraße B96. Tunnel 2 (90,0 Meter) unterquert die umverlegte Schwarze Elster, also einen Fluss! Die dann kommende Schleuse (48,0 Meter) reguliert ein Wasserstandsniveau je nach Wasserständen von bis zu drei Metern. (Bei unserer Tour waren es etwa 1,40 Meter).
Kanal, Tunnel und Schleuse sind mit allen erdenklichen Gebrauchshinweisen und Wasserverkehrszeichen versehen. An der Schleuse kann man nichts falsch machen, ein digitales Display gibt Handlungsanweisungen. In der Schleuse selbst wurde jedoch mit Möglichkeiten zum Festmachen etwas gespart. Bei der Ausfahrt in den Kanal in Richtung Osten zum Geierswalder See, fällt mir backbordseitig eine große Freitreppe neben einem Stichkanal an der Schleuse auf. Aber es gibt keinerlei Möglichkeiten zum festmachen oder aussteigen. Warum? „Hier hätten ein paar Anleger gut getan. Das würde das Flair um die Schleuse noch attraktiver machen“, findet auch meine kundige Führerin Manuela.
Nach etwa 600 Metern öffnet sich der Kanal und vor uns liegt der Geierswalder See. 2006 für den Tourismus freigegeben, schlägt hier das Herz der zukünftigen Seenkette und des Lausitzer Seenlandes. Mit 92 Millionen Kubikmeter Wasser aus der Schwarzen Elster, einer Tiefe bis zu 45 Metern und einer Fläche von 620 Hektar spricht er Segler und Motorbootfahrer gleichermaßen an. Sind die westlich und nördlichen Seeufer bereits grüne Oasen, so ist im Süden und Osten die wachsende Tourismuswirtschaft zu Gange. Der Sportboothafen mit bisher knapp 100 Liegeplätzen im südöstlichsten Zipfel des Sees wird von einem weithin sichtbaren Leuchtturm überragt. Der Leuchtturm auf Nord 51° 29′ 30“ und Ost 14° 06′ 59“ gehört zum Restaurant- und Hotelkomplex der „LeuchtTurm-Gastro GmbH“ und soll seit 2014 als Symbol für den Neuanfang der Seenland-Region stehen.
Im Hafen Geierswalde empfängt Hafenmeister Dieter Schmeissner (62) seit April 1015 die Gäste. Der Mann aus dem Erzgebirge ist Angestellter beim „1. Wassersportverein Lausitzer Seenland“, der den Hafen betreibt. „Bei uns werden die Dauerliegeplätze knapp. Der See ist begehrt, zumal hier auch jederzeit größere Boote geslippt werden können“, so der freundliche Hafenmeister, der 2015 schon über 900 Gäste registrierte. Wir zahlen 3,- Euro Boots-Parkgebühr und schlendern zum Leuchtturm.
Selten bin ich als Kind des Ostens so angenehm vom Osten überrascht worden wie im Leuchtturm-Restaurant. Und das ist nicht nur geografisch zu verstehen. Das bis ins kleinste Detail durchdachte und auf maritim gestyltes Ambiente hat mich für einen Moment sprachlos gemacht – Weltklasse! Service und Speisekarte lassen keine Wünsche offen, eine Traumlocation, die geografisch zu Sachsen, zum Landkreis Bautzen gehört.
Wir trinken Kaffee, genießen den Blick über den offenen See. Dann fahren wir weiter, vorbei an schwimmenden Ferienhäusern am östlichen Ufer. „Es entwickelt sich langsam“, erklärt meine Boots-Führerin Manuela Zahn, „aber vor allem für Dresdner ist das Revier interessant. Einige der schwimmenden Häuser haben private Besitzer und werden als Ferienhäuser genutzt und/oder vermietet. Mit jedem neuen Durchbruch zu einem weiteren See, wird das Revier mehr Menschen anziehen.“
Im Norden des Geierswalder Sees ist für uns Schluss. Obwohl die Verbindung zum Sedlitzer See über den künstlich geschaffenen Sornoer Kanal (Überleiter 10) so gut wie fertig ist, fehlt dem Sedlitzer See noch etwas Wasser, befindet er sich noch in Flutung. Und auch der bereits fertige Barbara-Kanal (Überleiter 9) zum Partwitzer See im Nordosten ist noch nicht freigegeben.
Wir kehren um, passieren wieder die Schleuse im Koschener Kanal und fahren am Nordufer des Senftenberger Sees zum 2013 eingeweihten Stadthafen. Vorbei an Hotels und Restaurants, muss man sich leider an die Bestimmungen halten und stets 100 Meter Abstand zum Ufer einhalten. das gilt auch für den Bade- und FKK-Strand auf der Senftenberger Seite. Das man an keinem Restaurant festmachen kann ist schade. Doch dann entschädigt der neue Stadthafen. Moderne Architektur (Sitz des Wasserverbandes Lausitz), eine schwimmende Seebrücke, Gastronomie und kleine Geschäfte laden zum verweilen ein. Auch das hat Klasse und erinnert ein bisschen an Friedrichshafen. Aber im Gegensatz zum Bodensee gibt es hier im Hafen mit dem ‚Pier 1‘ ein Restaurant, das in der Woche (Mo-Fr) Mittagsgerichte für 5,50 Euro in der Selbstbedienung anbietet – ein Preishammer! „Dieses preiswerte Mittagsangebot ist Auflage des Vermieters für den Betreiber und zieht unter der Woche viele Leute an. Das ist wirklich unschlagbar und wird stark angenommen“, weiß Manuela Zahn. Das Essen ist super und dank aufgestellter Palmen fühlt man sich statt in der Lausitz plötzlich wie in Italien.
Dank des guten Service und der städtischen Infrastruktur sind die 140 Liegeplätze im Stadthafen heiß begehrt und idealer Ausgangspunkt für Fahrten in das zukünftige Seenland. An der Seebrücke treffen wir auf die junge Reederin Marianne Löwa, die mit ihrem Ausflugsschiff „Santa Barbara“ Rundfahrten auf dem Senftenberger See anbietet und demnächst ein zweites (für die Kanäle geeignetes Schiff) in See stechen lässt. Marianne und Manuela sind zwei junge Frauen, deren Leben eng mit der Region und dem See verwachsen ist. „Ich bewundere Marianne. Als Reederin mit Kapitänspatent hat sie eine große Verantwortung und trägt ein hohes wirtschaftliches Risiko. Doch genau solche Frauen brauchen wir hier“, erklärt Bootsvermieterin Manuela Zahn stolz. Nach etwa 6 Stunden führt unsere Tour zurück zum Steg am Hafencamp bei Großkoschen. Vor Manuelas Bootsverleih läuft gerade ein Stehpaddelkurs. Oben am Camp genießen Besucher ein Eis und den Hafenblick in der Sonne. Hier lässt es sich aushalten.
Fazit
Obwohl bisher nur zwei Seen miteinander verbunden sind, lohnt sich ein Bootsausflug in das Lausitzer Seenland. Man kann mit dem eigenen Boot kommen und slippen, oder auch ein Mietboot chartern. Motorbootverkehr ist auch auf dem benachbarten Partwitzer See und dem Bärwalder See möglich. In den Häfen unserer Tour, Geierswalde und Senftenberg, sind Gastliegeplätze zu bekommen und man kann dort auch mit Mietbooten übernachten. Nachtfahrten sind allerdings verboten. Obwohl das Revier an vielen Stellen noch den Charme ein künstlichen Landschaft hat, wird sich das eines Tages ändern. Gerade für Familien ist eine Rundfahrt ein ideales Freizeitvergnügen, für das man durchaus eine Übernachtung einplanen kann. Eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten macht den Ausflug rund und es gibt tolle ausgebaute Radwege. Für Wassersportler und solche die es werden wollen, ist Manuela Zahn von ‚expeditours.de‘ die ideale Ansprechpartnerin. In ihrem kleinen Yachtshop gibt es zudem viele Dinge rund ums Boots und kompetente Beratung. Im Hafencamp findet man in Campinghütten für 3-4 Personen eine erlebnisorientierte Unterkunft. Die Lausitzer Seenlandschaft ist auf jeden Fall eine Reise wert!