WERFTPORTRÄT KARNIC POWERBOATS
Auf Zypern handgemacht
Die auf Zypern beheimatete Werft Karnic Powerboats setzt auf Qualität und Innovation. Karnic-Rauwasserboote haben im Mittelmeerraum längst einen guten Namen. Wir besuchten die aufstrebende GFK-Boot-Schmiede in Limassol.
Es ist Ende Oktober 2019, als ich am Flughafen Berlin-Schönefeld in den Flieger nach Paphos auf der Insel Zypern steige, um die Werft von Karnic Powerboats zu besuchen. Wunderbare Landschaften, gastfreundliche Menschen, ein türkisblaues Meer und mediterranes Klima mit heißen Sommern und warmen Herbsttagen machen Zypern zu einem perfekten Urlaubsziel. Die geografisch zu Asien gehörende, politisch jedoch zweigeteilte Insel besteht aus der Türkischen Republik Nordzypern im Norden und der griechischsprachigen Republik Zypern im Süden, die seit 2004 Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist. Ein Shuttle bringt mich vom kleinen Flughafen Paphos, einem der beliebtesten Inselorte, in 40 Minuten über die neue Autobahn in die Hafenstadt Limassol. Noch vor 20 Jahren hat man für diese Strecke über die parallel verlaufende, malerische und kurvenreiche Küstenstraße zwei Stunden gebraucht. Zypern hat sich verändert, Investoren aus Israel und Russland haben die Insel mit über einer Million Einwohnern quasi umgekrempelt und mit Ferienvillen, Golfplätzen, Hotels und exquisiten Wohnanlagen bepflastert. Was Mallorca für die Deutschen, ist Zypern für betuchte Russen und Israelis. Die von Fähren und Frachtern stark frequentierte Hafenstadt Limassol hat mit der modernen und mondänen „Limassol Marina“ nun auch einen luxuriösen Yachthafen bekommen, dessen Liegeplätze für die meisten Zyprioten allerdings unerschwinglich sind …
Die neue Autobahn verlassend, biegt das Shuttle mit seinem redseligen Fahrer in ein Industriegebiet nordwestlich des Stadtzentrums ab. Bald sind schon aus der Ferne die blauen Werfthallen zu erkennen. Der Hauptsitz von Karnic Powerboats trägt den aus großen silbernen Metall-Buchstaben bestehenden Schriftzug „Karnic“. Zugegeben, ich hatte eine gewisse Erwartungshaltung, denn die auch vielen Anglern durchaus geläufige Bootsmarke Karnic war mir nicht unbekannt. Über eine Baustelle führt der Weg in einen Büroflur, in dem Handwerker fleißig werkeln. Werftchef Nick M. Karaolis (58) empfängt mich in seinem gemütlichen Büro, an dessen Wänden Urkunden, Fotos von Booten und Bootsbaupläne hängen. „Entschuldigung, wir bauen hier gerade unsere Räumlichkeiten um und brauchen mehr Platz,“ wird mir erklärt. Aus den großen Fenstern neben seinem Schreibtisch kann der Chef in die Endmontagehalle schauen und residiert damit über der Fertigungslinie. Hier also schlägt das Herz einer der renommiertesten und modernsten Freizeitboot-Werften am östlichen Mittelmeer, die zugleich auch ein Familienbetrieb ist. Willkommen bei Karnic Powerboats!
Nick M. Karaolis studierte an der britischen University of Reading Maschinenbau und schloss später an der gleichen Universität mit einem Doctor of Philosophy (Ph.D.) ab, dem wissenschaftlichen Doktorgrad und höchstem Abschluss eines Postgraduiertenstudiums in englischsprachigen Ländern. Er promovierte mit dem Thema „Aerodynamisches Design von Windturbinenblättern mit fortschrittlichen Verbundwerkstoffen“. Als der Ingenieur- und Experte für Komposit-Werkstoffe im Jahre 1993 in seiner Heimatstadt Limassol eine Werft gründete, nannte er sie angelehnt an seinen Namen „Karnic“. Nick, wie er von Freunden und Partnern genannt wird, hatte zugleich eine Vision. Er wollte praxisgerechte Boote mit leistungsstarken und stabilen GFK-Rümpfen bis zu 30 Fuß und unverwechselbarem Design in hoher Verarbeitungsqualität herstellen. Die Bootsfertigung begann zunächst mit kleinen Kunststoff-Modellen bis 18 Fuß für lokale Käufer. Als 1997 mit der Bluewater-Linie ein 21-Fuß-Walkarounder das Interesse im Ausland weckte, konnte ab 1998 mit dem Bootsexport begonnen werden. Seit dem Jahr 2000 wird fast die gesamte Jahresproduktion von Karnic Powerboats exportiert. Es entstanden neue Fertigungsflächen im Nordwesten Limassols und 2004 investierte Karnic in modernste CAD/CAM-Technologie zur eigenen Herstellung von neuen Prototypen und Rumpfkomponenten, die wiederum vom eigenen Ingenieursteam um Nick Karnic entworfen werden. Seit 2006 sorgt eine umfassende Neuorganisation der Produktion nach „Lean“-Prinzipien für hohe Produktivitätsgewinne mit zweistelligen Zuwachsraten und einer verfeinerten Qualitätskontrolle. Dieses neue Fertigunssystem bewährt sich bis heute als Grundlage für alle nachfolgenden Entwicklungen und Investitionen. Auf die Entwicklung eines Kabinenkreuzers der Cruiser-Linie im Jahr 2008 folgte nur kurze Zeit später die internationale Wirtschaftskrise, die 2009 auch die weltweite Boots- und Schiffbaubranche erreichte. Mit offensiven Marketing-Strategien und einer Erweiterung der Werftflächen auf 18.000 Quadratmetern mit 5.000 Quadratmetern überdachtem Hallenareal in 2011 gelang es dem umtriebigen Werftchef, die Krise zu umschiffen. Bereits 2010 wuchs das internationale Händlernetzwerk auf über 30 Länder an und das Unternehmen Karnic Powerboats wurde seitdem vier Mal mit dem „Cyprus Export Award“ ausgezeichnet.
Einen weiteren Qualitätssprung erlebte Karnic Powerboats 2013, als für die Fertigung kleinerer Komposit-Teile die Vakuum-Infusionstechnologie eingeführt wurde und kurz darauf auch die Computer-kontrollierte Produktion in der blitzsauberen Karnic Powerboats Manufaktur. Einzug hielt. Zwei Jahre später begann Karnic mit der neuen SL-Serie am modularen Design zu arbeiten, um den Kunden verschiedene Layouts auf einem Rumpf anzubieten. Derzeit legt ein engagiertes Team von 45 Mitarbeitern jährlich etwa 180 Boote in Längen zwischen 4,90 und 9,20 m auf Kiel. Dabei werden alle Rumpfstrukturen im traditionellen Handauflegeverfahren und Verbundteile mit Vakuum-Infusionstechnologie in einem kontrollierten Prozess unter strenger Qualitätskontrolle gefertigt. Polster und Bezüge werden in der werfteigenen Segelmacherei genäht. Wer eine Karnic erwirbt, der bekommt ein individuelles Produkt „Handmade in Cyprus“ zu einem fairen Preis-Leistungsverhältnis. Es sei angemerkt, dass alle Karnic-Modelle im Mittelmeer ausgiebig unter realen Bedingungen erprobt werden und sichere Rauwassereigenschaften gefordert sind. Auch wir konnten uns von den Booten ein Bild machen. Die neue Karnic SL 800 und deren kleinere Schwester, die Karnic SL 652, wussten in den vor Ort durchgeführten Praxistests zu überzeugen.