REISEREPORT DAS POMMERSCHE HAFF
Zwischen Mönkebude und Kamminke
Abseits der großen Ostsee-Touristenorte findet man rund um das Pommersche Haff romantische Orte und Landschaften, die entdeckt werden wollen. Wir gingen rund ums Stettiner Haff, auch Pommersches Haff genannt, auf Spurensuche …
Bevor wir uns auf die Reise um das Pommersche Haff mit seinen romantischen Orten und Landschaften begeben, verweise ich auf meinen Report „Ein reizvolles Fleckchen Erde“, der am Endes des Artikel verlinkt ist und wo wir mit dem Archipel Neuwarp einen polnischen Teil der Landschaft am südlichsten Zipfel des Stettiner Haffs beschrieben haben. Nun wollen wir den deutschen und westlichen Teil des auch Pommersches Haff genannten inneren Küstengewässers bereisen. Als zweitgrößte Lagune der Ostsee umfasst das im Mündungsbereich von Peene und Oder gelegene Pommersche Haff eine Fläche von etwa 700 Quadratkilometern. Die mittlere Tiefe liegt bei vier Metern. Die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 22 und die Ost-West-Ausdehnung 52 Kilometer. Durch das Haff verläuft die Grenze zwischen Deutschland und Polen. Das Gewässer ist über die Meeresarme Peene und Swine mit der Ostsee verbunden und wird im Norden von der Insel Usedom und im Osten von der Insel Wolin begrenzt. Neben wenigen Steilküsten sind die Ufer des Haffs mit Schilf bewachsen, an denen es verträumte und naturbelassene kleine Badebuchten gibt.
Unsere Rundreise beginnt mit einer Überquerung des Pommerschen Haffs und der Einfahrt in die sogenannte „Kaiserfahrt“, die den Fluss Swine mit dem Haff und später der Oder verbindet. Der zwischen 1875 und 1880 erbaute und sechs Kilometer lange Kanal auf der Insel Usedom umging den schwer befahrbaren östlichen Lauf der Swine und ist Teil einer zwölf Kilometer langen Schifffahrtsstraße zwischen Haff und Ostsee. Heute liegt der Kanal auf der polnischen Seite und heißt Kanal Piastowski, Piastenkanal. Geschichtlich interessierten Reisenden sei ein informativer Schiffsausflug durch die Kaiserfahrt empfohlen. Die Touren der Adler-Schiffe finden am Dienstag und Freitag statt und starten ab den Usedomer Kaiserbädern Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck sowie ab Swinemünde, der auf der polnischen Seite liegenden größten Stadt der Insel Usedom. Auf einen entsprechenden Fahrplan wird hier im Service-Teil hingewiesen. Nach der Kaiserfahrt übernachten wir, das sind meine Frau Renate und ich, in Swinemünde, das kurz nach einigen Corona-Reiseerleichterungen förmlich von Touristen überschwemmt wird. Das bunte und maskenlose Treiben erinnert an Zeiten des „normalen“ Lebens.. Swinemünde hat eine bewegte Geschichte, einige Sehenswürdigkeiten und zwei in der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute Festungsbauwerke, welche die Swine-Einfahrt gegen Seeanlandungen aus der Ostsee schützen sollten. Heute ein touristischer Anziehungspunkt, finden in den einstigen Wehranlagen alljährlich Events mit historischem Bezug und Traditionsveranstaltungen statt. Geocacher finden rund um das Gelände zahlreiche interessante Caches.
Nach dem nächtlichen Aufenthalt im Hotel Hamilton in Swinemünde führt uns am nächsten Morgen der erste Weg nach Kamminke, einem der ältesten Fischerdörfer auf Usedom, das gerade mal rund 250 Einwohner zählt. Wir sind mit dem Auto unterwegs, auch weil es bisher nur zwei ansteuerbare Sportboothäfen am Usedomer Ufer des Haffs gibt. Bevor wir Kamminke erreichen, machen wir einen Zwischenstopp an einer kleinen evangelischen Feldsteinkirche in Garz, deren aus zwei Glocken bestehendes Geläut neben der Kirche auf der Erde schlägt. Im Inneren des schlichten Gotteshauses findet der Besucher eine lohnenswerte Ausstellung zur Geschichte des Ortes Garz als sogenanntes Arbeiter- und Eigentümerdorf in verschiedenen geschichtlichen Epochen und Wissenswertes über das Fischerdorf Kamminke. Sehr interessant sind im Kirchenschiff schwebende Schiffsmodelle, die im protestantischen Ostseeraum einst Berufsstände repräsentierten und den Kirchen gespendet wurden. Das von Garz etwa vier Kilometer entfernte Kamminke liegt zum Teil am Fuße einer Steilküste und von den Häusern auf dem Berg bietet sich ein herrlicher Blick übers Haff. Das hübsche und pittoreske Fischerdörfchen bietet zahlreiche Ferienwohnungen und vom Gasthaus „Haffblick“ genießt man einen ebensolchen. Im Ort gibt es noch zwei aktive Fischer, die sich selbst als die letzten ihrer Zunft sehen. Mit seiner idealen und verschwiegenen Lage am Haff ist das Dörfchen in unmittelbarer Grenznähe zu Polen ein idealer Rückzugsort für eine kleine Republikflucht und hat sogar einen Strand und lauschige Badebuchten zu bieten. Bisheriges Sorgenkind der Gemeinde ist der Hafen, der sich in einem schlechten Zustand befindet und wegen der maroden Kaianlagen wenig frequentiert ist. Bürgermeister Uwe Hartmann ist sicher, dass ein neuer und rekonstruierter Hafen mit moderner Infrastruktur mehr Gäste und vor allem wieder mehr Boote nach Kamminke bringen würde. „Unser Hafen wäre für Skipper die erste Adresse aus Richtung Oder und der südlichen Haffküste. Wir haben bereits mit den Planungen begonnen und es gibt sogar ein vom Land gefördertes Bodengutachten. Doch dann kam Corona und wieder liegt der neue Hafen auf Eis“, erklärt Uwe Hartmann, den wir in der Fischräucherei Kamminke treffen. Wir verlassen einen der schönsten Orte am Haff und fahren über Zirchow zum ehemaligen Militärflugplatz Garz, der im Zweiten Weltkrieg als Fliegerhorst der Luftwaffe und danach als NVA-Flugplatz diente. In der DDR-Zeit flog die staatseigene „Interflug“ den Flughafen unter der Bezeichnung „Heringsdorf“ für zivile Zwecke an und brachte so auch Urlauber nach Usedom. Heute ist „Heringsdorf Airport“ ein ziviler Flugplatz mit Empfangsgebäude, der vor allem von gut betuchten Zeitgenossen und deren Kleinflugzeugen angeflogen wird. So ist es nicht verwunderlich, dass in unmittelbarer Nähe zum historischen Flugplatzgelände und in ziemlicher Abgeschiedenheit direkt am Haff mondäne Villen- und Ferienwohnungen entstehen. Stellvertretend sei hier die Oase am Haff genannt.
Der weitere Weg führt uns vom Flugplatz weg, wo wir über Nebenstraßen so dicht am Pommerschen Haff wie möglich Richtung Westen fahren. Dass sich diese Landschaft mit romantischen Radwegen bestens für Radtouren eignet, muss erwähnt werden. Eigentlich ist hier das Fahrrad Pflicht, denn damit sind auch die verschwiegensten Buchten am Haff erreichbar. Wir passieren die kleinen Liegenschaften Neverow und Bossin, um dann auf einem Feldweg zur Ortschaft Dargen zu kommen, in der es ein DDR-Museum gibt. Doch wir haben anderes im Sinn und machen uns auf die Suche nach einem kleinen verschwiegenen Naturhafen, der etwa 600 Meter westlich unterhalb Bossins an der Küstenlinie liegt und nicht öffentlich zugänglich sein soll. Ausgestattet mit dieser Information, will ich es wissen und wir erreichen über geschotterte Feldwege, die man selbst mit dem Rad nicht befahren könnte, endlich diesen auf Google-Maps gut erkennbaren Hafen, der von einem Waldstück umgeben, von einem hohen Zaun flankiert und mit Videotechnik überwacht ist. Pächter des Dargener Hafens, der einst der Landwirtschaft diente, ist der Wassersportverein Dargen, und ich bemühe die am Tor angegebene Telefonnummer. „Unser Vereinshafen steht Gästen offen, allerdings haben wir keinen Strom und kein Wasser. Hafen und Einfahrt sind einen Meter tief und die Anfahrt mit einer Ansteuerungstonne sowie Fahrwasserkennzeichnungen markiert. Wer hier einläuft, findet eine Telefonnummer vor, wo er dann weitere Instruktionen bekommt, insofern niemand von uns vor Ort ist. Oft kommen Kajak-Wasserwanderer vorbei, aber kleinere Motorboote mit geringerem Tiefgang können hier auch gerne halt machen“, erfahre ich am Vereinstelefon. Zurück auf dem Schotterweg, passieren wir später den Ort Stolpe, dessen markantes und bekanntes Wahrzeichen ein im 17. Jahrhundert errichtetes Schloss ist. Heute finden dort Konzerte, Lesungen und auch das Usedomer Musikfestival statt. Ein weiterer Anziehungspunkt in dem rund 350 Einwohner zählenden Angerdorf ist Langhoffs Backstube, direkt gegenüber dem Schloss und dem Restaurant Remise. Hier geben sich Radtouristen und Urlauber bei Pfannkuchen, Bienenstich und Kaffee ein Stelldichein. Unsere letzte Station auf Usedom ist der vor drei Jahren neu eröffnete Usedomer Stadthafen, den man vom nordwestlichsten Zipfel des Haffs über die schmale Enge zum Usedomer See zwischen den Liegenschaften Ost- und Westklüne im sogenannten „Usedomer Winkel“ erreicht. Mit neuen Steg- und Sanitäranlagen, die das Prädikat „vom Feinsten“ verdienen, empfiehlt sich dieser Hafen für Segler und Motorbootskipper als reizvoller Zwischenstopp, denn die Stadt Usedom hat sich mittlerweile für Besucher aufgehübscht und ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Über die Zecheriner Brücke wieder zurück aufs Festland, soll der Hafen von Mönkebude unsere letzte Station für diesen Tag sein. Die Gemeinde mit rund 800 Einwohnern liegt am nordöstlichsten Rand des waldreichen Landschaftsschutzgebietes „Haffküste“ und gilt als die Perle der Haffdörfer. Wer noch nie in Mönkebude war, wird überrascht sein, wie schön es dort ist. Dazu trägt neben einem Wohnmobilstellplatz und dem Yachthafen auch der 500 Meter lange und für Kinder ideale Badestrand bei, der sich mit seinem feinkörnigen Sand durchaus mit Ostseestränden messen kann und über einen FKK-Bereich und Abenteuerspielplatz verfügt. Der neue, moderne und geschützte Yachthafen bietet 90 Plätze für Dauer- und Gastlieger und bietet Bootsservice, Abwasserentsorgung, Kran, Strom- und Wasseranschluss, eine Bootstankstelle, Sanitärbereiche mit Waschmaschinen und natürlich auch Gastronomie. Wer gerne mal mit einem Zeesboot über das Pommersche Haff segeln möchte, der kann auf der „Ghost“ von Alwin Harder anheuern, der sowohl Kurz- und auch Ganztages-Törns für bis zu zwölf Personen im Programm hat. Für Skipper, die von der Oder oder von der Peene kommen, eignet sich der Hafen Mönkebude hervorragend als Zwischenhalt und bietet sich bei starkem Nordwind auch zum Abwettern an. Einen weiteren Strand mit Campingpark im vier Kilometer entfernten Grambin lassen wir links liegen und machen Quartier im charmanten Hotel am Markt in Ueckermünde.
Deutschlands nordöstlichste Hafenstadt zwischen Ueckermünder Heide und Pommerschem Haff hat sich in den letzten 30 Jahren herausgeputzt und ist ein sehr sehenswertes Städtchen geworden. Zu DDR-Zeiten noch Zentrum vieler umliegender NVA-Militärliegenschaften, erlebte nicht nur die Altstadt eine Art Wiederauferstehung. Interessant ist das Areal um das letzte erhaltene Schloss der pommerschen Herzöge auf deutschem Boden, in welchem das Haffmuseum untergebracht ist. An der Uecker, die hier in das Haff mündet, haben sich Bootswerften, Bootsverleiher und die Oderhaff-Reederei Peters im Stadthafen angesiedelt. Von hier starten Haff-Rundfahrten, die Fahrradfähre Ueckermünde-Kamminke und es gibt Ausflugsfahrten nach Swinemünde. Als neues Wahrzeichen der Stadt am Haff könnte die Ferienanlage und Marina „Lagunenstadt“ gelten, die sich etwa 200 Meter südlich des 800 Meter langen Sandstrandes des Strandbades Ueckermünde erstreckt. Die Lagunenstadt ist eine künstliche Lagune mit zahlreichen Ferienwohnungen, Bootsliegeplätzen buchstäblich vor der Haustür und einigen Unterhaltungs- und Verköstigungsmöglichkeiten. Die Strandpromenade erinnert ein wenig an die Usedomer Kaiserbäder und lädt zum entspannten Bummeln ein. Im Hochsommer steppt vor Ort allerdings der Bär und viele Familien verbringen hier ihren Urlaub.
Mit einem Abstecher nach Altwarp soll sich der Kreis zu unserer einst im polnischen Neuwarp beendeten Reise um das Pommersche Haff schließen. Als wir gegen Mittag im Fischerdorf Altwarp ankommen, steht die Sonne erbarmungslos heiß über dem Park- und Wohnmobilstellplatz am Hafen. Einst durch eine Ansiedlung von Fischern des Klosters Pudagla entstanden, liegt das Dorf an der Küste zwischen Stettiner Haff und dem Warper See. „Warpna“ soll im Slawischen so viel wie „Ankerplatz“ bedeuten. Altwarp hat den östlichsten Hafen Deutschlands, der heute einigen Sport- und Fischerbooten als Liegeplatz und dem Ausflugskutter „Lütt Matten“ sowie dem Passagierschiff „Weisse Muschel“ als Abfahrts- und Anlegestelle dient. Beide Schiffe werden von der Familie Bocklage betrieben, die hier Ausflugsfahrten auf das Stettiner Haff und zum etwa eine Seemeile entfernten gegenüberliegenden Neuwarp anbietet. Wir stehen jetzt an einem Ort, den ich und viele Deutsche noch sehr gut in Erinnerung haben. Bis zum 31. April 2004 wurden hier zwischen den beiden Grenzorten pro Tag bis zu 5.000 Menschen mit Butterschiffen über die deutsch-polnische Seegrenze geschippert, um zollfreie Waren zu kaufen. Altwarp war zu einem Mekka des Butterfahrt-Tourismus geworden und Reisebusse karrten Kunden aus ganz Norddeutschland heran. Die Butterschiffe der Reedereien Adler und Peters legten im Stundentakt ab. Im Fischerdorf Altwarp wurde ein neues Fährterminal gebaut, das nie in Betrieb ging, denn mit dem Beitritt Polens in die EU kam auch das Aus für die Butterschiffe. Von diesem Schnäppchen-Tourismus hat Neuwarp nie wirklich profitiert, denn gerade mal fünf Prozent der Passagiere setzten ihre Füße auf polnischen Boden. Heute, 17 Jahre später, ist längst Ruhe eingekehrt und nur die private Fährverbindung der Bocklages vom einstigen Trubel im Hafen übrig geblieben. Neben der herrlichen und waldreichen Umgebung, die sich prima für Radtouren eignet, ist ein Besuch in Altwarp auch ein Ausflug in die deutsche Geschichte. Mit der nach dem Krieg vollzogenen Grenzziehung zwischen Deutschland und Polen verloren viele Neuwarper ihre Häuser. Deren Kinder und Enkel sind deswegen nicht unbedingt nachtragend. „Die Häuser unserer Väter und Großväter stehen ja noch, wir können sie von hier aus sehen“, erklärt mir eine Frau aus Altwarp mit einem Lächeln.
Wir verlassen den Archipel in südliche Richtung über die Haff-Gemeinde Vogelsang-Warsin in Richtung Luckow, wo in der Liegenschaft Christiansberg ein echtes Schmankerl auf jeden Blumen- und Gartenliebhaber warten soll. In der Hoffnung, meiner Frau – die eine ausgesprochene Pflanzenliebhaberin mit grünem Daumen ist – eine Überraschung bieten zu können, machen wir kurz darauf vor dem Botanischen Garten Christiansberg halt und kommen bald aus dem Staunen nicht heraus. Was hier in abgelegener Gegend ein freundlicher und fleißiger Mann namens Walter Kapron zusammen mit seinem Freund Manfred Genseburg in 40 Jahren auf seinem Grundstück angepflanzt hat, ist ein gärtnerisches Lebenswerk, bei dessen Anblick Gartenfreunde regelrecht „ausflippen“. „Wenn ich das mit unserem Oranienburger Schlosspark vergleiche, so hat der davon keine zehn Prozent Pflanzenbestand“, erklärt mir meine Frau begeistert. Die Überraschung an der letzten Station unserer Haff-Rundreise ist also sichtlich geglückt!